Mit der Serie „Wirtschaft für Azubis“ will die IHK einen Beitrag zum besseren Verständnis von Wirtschaft leisten. Zielgruppe sind neben den Auszubildenden auch die Ausbilder in den Unternehmen, die die erläuterten Begriffe mit Auszubildenden besprechen können.
Was die Wirtschaft antreibt
Warum ist Innovation so wichtig? Weil Erfindung und Weiterentwicklung eine Art Treibstoff sind, der für Dynamik in der Wirtschaft sorgt. Ein paar Begriffe und einen Namen sollte man kennen.
Die niedersächsische Wirtschaft hat in den ersten drei Monaten der Corona-Pandemie ihre Innovationstätigkeit konstant gehalten oder sogar noch ausgebaut. Die Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen (www.ihk-n.de) haben dazu im Juli eigens Unternehmen befragt. Aber warum ist Innovation so wichtig? Klar, irgendwie weiß man das. Wer was erfindet, kann daraus ein Produkt machen und es verkaufen. Wer nicht irgendwas, sondern Facebook oder Amazon erfindet, verändert die Welt und wird märchenhaft reich. Aber man kann auch systematisch an die Sache rangehen und ein paar Begriffe oder Namen aufschnappen, die in der Ökonomie wichtig sind. Erstmal ein Name: Joseph Alois Schumpeter (1883 - 1950). Der Mann ist für manche ein Guru. Vor allem wird mit ihm – jetzt kommt ein wichtiger Begriff – die Idee der „schöpferischen Zerstörung“ verbunden. Und die beginnt mit der Innovation: Etwas erfinden, etwas weiterentwickeln, etwas besser machen – wenn man das schafft, hat man die Nase vorn. Und verdrängt das, was nicht so gut ist. Denn die Konkurrenz, die plötzlich im Nachteil ist, versucht den Rückstand aufzuholen. Also zum Beispiel das, was ein anderer erfunden oder entwickelt hat, nachzuahmen. Oder sogar noch zu verbessern. Sonst fällt man immer weiter zurück und ist irgendwann weg vom Fenster, also nicht mehr konkurrenzfähig. Die ganz großen Innovationssprünge, die ganze Märkte verändern, haben einen Namen, den man auch kennen sollte: Disruption. Das alles – Innovation, Imitation, Disruption und schöpferische Zerstörung – sorgt machtvoll für ständige Dynamik und Streben nach der besseren Lösung. Das macht die Marktwirtschaft so stark. Und deshalb ist die Innovationsfähigkeit der niedersächsischen Unternehmen so entscheidend, dass die Industrie- und Handelskammern regelmäßig nachfragen. Ein paar weitere Ergebnisse: Fast die Hälfte der Firmen will noch mehr Mittel in Forschung und Entwicklung stecken. Gut, wenn man Schumpeter im Kopf hat. Ebenfalls gut: Die meisten Unternehmen glauben, dass sie das richtige Personal für Innovationen haben oder es in Zukunft finden. Keineswegs gut: Rund 90 Prozent der Unternehmen fühlen sich in ihrer Innovationsfähigkeit durch staatliche Rahmenbedingungen eingeschränkt.
Geld – oder was macht glücklich?
Vielleicht denkt man das nicht auf Anhieb, aber Armut ist schon lange ein Thema für Ökonomen. Die Armut einzelner Menschen, aber auch die ganzer Nationen. Und wenn man nach Wohlstand strebt: Was ist das überhaupt?
Der Wohlstand, der Reichtum von Nationen steht am Anfang der Volkswirtschaftslehre: Gebetsmühlenartig nennen Ökonomen als Ursprung ihrer Wissenschaft ein Buch, das der schottische Philosoph Adam Smith 1776 veröffentlichte: An Inquiry into the Nature und the Causes of the Wealth of Nations, also „Eine Untersuchung über das Wesen und die Gründe für den Reichtum von Nationen“.
Mancher Volkswirt hat das Werk im Bücherschrank. Einige haben es vermutlich auch gelesen. Smith schrieb sein Buch ziemlich genau zu der Zeit, als es mit der Industrialisierung so richtig losging. Erst in England, und kurze Zeit später in vielen Teilen Europas. Die technischen Erfindungen entfesselten in Verbindung mit weiteren Faktoren enorme Wachstumskräfte, von denen zum Beispiel auch Karl Marx höchst beeindruckt war. Sie brachten einen enormen Reichtum einiger Nationen. Mit dem individuellen Reichtum der Menschen allerdings sah es höchst unterschiedlich auch. Auch dazu könnte man gut Marx befragen.
Aber hier geht es erstmal um den Wohlstand ganzer Länder. Und das beginnt mit der Frage, wie man den eigentlich misst. Üblicherweise kommt hier das Bruttoinlandsprodukt ins Spiel. Das ist grob gesagt das, was in einem Land in einem bestimmten Zeitraum - meist wird ein Jahr betrachtet - an Waren und Dienstleistungen hergestellt oder erbracht wird: die Wertschöpfung eines Landes. Man kann es in Euro und Cent berechnen und damit auch ganz gut einschätzen. Ist es höher oder niedriger als in anderen Ländern? Wächst es? Aktuell nicht, wegen Corona, und das in vielen Teilen der Welt.
Aber zeigt das so schön übersichtliche Bruttoinlandsprodukt - kurz BIP - überhaupt richtig, wie der Wohlstand eines Landes ist? Manche kritisieren allein schon, dass bestimmte Leistungen gar nicht erfasst werden - unbezahlte Arbeit in der Familie und im Ehrenamt beispielsweise.
Aber die Kritik geht weit tiefer. Es gibt grundsätzliche Bedenken, das Bruttoinlandsprodukt als alleinige Messgröße für den Wohlstand einer Nation zu verwenden. Nahezu legendär ist das Bruttonationalglück, an dem sich Nepal orientiert.
Geld allein macht eben nicht glücklich. Auf die ökonomische Ebene übertragen heißt das: Um den Wohlstand einer Nation zu messen, sollten außer der reinen Wirtschaftsleistung noch weitere Faktoren berücksichtigt werden. Einer, der seit Jahrzehnten für diese Ideen eintritt, ist der indische Philosoph und Ökonom Amartya Sen. Sein Name war gerade erst in den Medien, weil er in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. Sen hat unter anderem für die Vereinten Nationen an einem Index der menschlichen Entwicklung, dem Human Development Index, mitgearbeitet. Der Sen-Index, der seinen Namen trägt, soll mathematisch den Wohlstand und dessen Verteilung erfassen. Und auch die OEC D, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, griff bei ihrem Better Life Index auf Sens Arbeiten zurück: Für den Wohlstand von Menschen und Nationen ist danach nicht nur die Höhe des Bruttoinlandsprodukts entscheidend, sondern wichtig sind auch Gesundheit und Bildung, Umwelt, Sicherheit oder, ganz allgemein, Zufriedenheit.
Beim Human Development Index übrigens platziert sich Deutschland, wenig überraschend eigentlich, ziemlich weit vorn. Was ist aber mit denen, die weit unten stehen? Wie lässt sich deren Situation verbessern? Diese Frage wird durch die Corona-Pandemie noch brennender, denn viele Nationen, die in den vergangenen Jahren Fortschritte bei ihrer Entwicklung gemacht haben, werden jetzt wieder zurückgeworfen. Viele heutige Ökonomen treibt die Armut um, und wie man sie überwindet. Viele wurden für ihre Arbeit auch ausgezeichnet wie jetzt Amartya Sen. Im vergangenen Jahr erhielten Ester Duflo, Abhijit Banerjee und Michael Kremer den Wirtschaftsnobelpreis (den Sen auch schon bekommen hat), weil sie sich mit der Frage beschäftigten, was zur Armut führt und was man dagegen tun kann. Entwicklungsökonomie heißt ein Zweig der Volkswirtschaftslehre, bei dem es genau darum geht: Wie schafft man es, dass sich ein Land wirtschaftlich entwickelt, also zu Wohlstand kommt? Und das so, dass alle Menschen davon etwas haben - eine Frage der Gerechtigkeit. Der Zugang zu Bildung spielt bei den Wohlstandsfaktoren spielt eine zentrale Rolle, ebenso wie Gesundheitsversorgung auch ein zentraler Aspekt von Gerechtigkeit ist. In einer von Corona geprägten Welt haben diese Fragen nur noch mehr an Aktualität gewonnen.
Nichts als Horror: Wer erzählt was zur Konjunktur?
Nicht verwechseln – es gibt Wirtschaftsweise und Institute. Alle liefern Prognosen. Positiv ist derzeit keine.
Gut ist da gerade nix, wenn man die Konjunkturexperten hört. Seit Corona durch das Land rast, haben sich immer wieder Wirtschaftswissenschaftler gemeldet und ganz unterschiedliche Zahlen in den Raum geworfen, wie sich die Wirtschaft 2020 entwickelt. Eins haben alle diese Zahlen gemeinsam: Es steht immer ein Minus davor. Das heißt: Die Wirtschaft schrumpft. Wir haben eine Rezession. Nur: Wie heftig wird sie ausfallen? Und: Wer sagt eigentlich was? Das wäre erstmal der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Der besteht immer aus fünf Menschen, aktuell drei Männer und zwei Frauen. Allesamt Wirtschaftsprofessorinnen oder -professoren, jeweils für fünf Jahre berufen. Dieses Fünferteam ist immer dann gemeint, wenn von den Wirtschaftsweisen die Rede ist. Ende März haben sie sich zu Wort gemeldet. Ihre Einschätzung: Je nachdem, wie lange die Corona-Krise dauert, wird die Wirtschaft in Deutschland zwischen 2,8 und 5,4 Prozent schrumpfen. Seit 1963 berät der Sachverständigenrat die jeweilige Bundesregierung und schreibt dazu Gutachten. Aber aufgepasst: Da gibt es noch etwas, nämlich die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Und zwar heute wieder genau fünf davon. Deshalb werden Weise und Institute gerne verwechselt. Es waren auch mal mehr Institute, da war‘s leichter, aber jetzt sind es wieder genauso viele, wie der Sachverständigenrat Mitglieder hat. Und so heißen sie: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin), ifo Institut für Wirtschaftsforschung (ifo, München) Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (IWH, Halle), Institut für Weltwirtschaft (IfW, Kiel) und RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI, Essen). Die Chefs – alles Männer – sind wie die Wirtschaftsweisen Ökonomieprofessoren, aber keiner von ihnen ist Mitglied im Sachverständigenrat. Also schön auseinanderhalten. Und was sagen die Institute zu Corona? Anfang April kamen sie mit ihrer Zahl: Die Wirtschaft schrumpft um minus 4,2 Prozent. Es gibt natürlich noch andere Wirtschaftsinstitute. Zum Beispiel das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Auch das macht Prognosen, in dem Fall eine besonders krasse. Bis zu minus 10 Prozent Minus prophezeit das IW für das Corona-Jahr. Alles Horrorzahlen. Aber auch in Niedersachsen gibt es Konjunkturbeobachter. Zum Beispiel befragen Industrie- und Handelskammern alle drei Monate rund 2000 niedersächsische Unternehmen. Aktuelles Ergebnis: auch Horror - in dieser NW ab Seite 34.
Tiefe Einschnitte
Konjunkturklimaindikator für Niedersachsen
Zwei Mal in diesem Jahrtausend erlebte die Wirtschaft einen massiven, weltweiten Einbruch. Was sich jedoch gerade abspielt, wird nach Einschätzung der meisten Ökonomen die Krisen nach 2000 und ab 2008 noch übertreffen. Der von den Industrie- und Handelskammern für Niedersachsen alle drei Monate errechnete Konjunkturklimaindikator, an dem sich die Lage der Wirtschaft im Land ablesen lässt, weist jeweils Ausschläge tief nach unten aus: Ende 2002 wurde die Talsohle nach dem Platzen der Dotcom-Blase erreicht. Viele der damals entstandenen Internet-Firmen, erkennbar an ihrer auf .com (gesprochen dot com) endenden Domain, waren zu hoch bewertet. Es kam zur Krise. Im Herbst 2008 folgte ein noch drastischerer Einbruch, als klar wurde, dass in großer Menge Immobilienkredite in den Vereinigten Staaten wertlos waren. Banken, die diese Kredite im Bestand hatten, gerieten in Schieflage. Als die US-Regierung sich weigerte, eine weitere Bank - Lehman Brothers - zu retten, liefen davon ausgehend Schockwellen durch die Weltwirtschaft. Das internationale Finanzsystem konnte nur mit großer Mühe stabilisiert werden, es hat aber geklappt. Wie weit der Ausschlag jetzt nach unten reicht, wird in ein paar Wochen klar, wenn das nächste Mal der niedersächsische Konjunkturklimaindikator veröffentlicht wird. Dieses Mal ist nicht die Finanzwirtschaft die Ursache der Krise, sondern das Coronavirus, das weltweit die Wirtschaft in einem ungeahnten Maße zum Stillstand bringt. In geschlossenen Läden wird nichts gekauft, ohne Material und die Beschäftigten wird nichts produziert: Aktuell brechen sowohl die Nachfrage als auch das Angebot ein. Das ist dramatisch und ein Ende nicht abzusehen. Und wie geht es weiter? Ökonomen beschreiben die Entwicklung nach einer Krise mit Buchstaben: V, U oder L. Der Krise 2008/2009 folgte ein klassischer V-förmiger Aufschwung: Geradewegs runter und sofort wieder hoch. U würde heißen: Es bleibt länger schlecht, geht dann aber wieder nach oben. Ein L wäre das schlechteste: Absturz, und dann geht erstmal lange nichts aufwärts. Hoffen wir also auf ein V.
WTO: Berater und Schlichter
Die Welthandelsorganisation ist gerade 25 Jahre alt geworden. Aber was macht sie eigentlich?
Diese drei Buchstaben tauchen regelmäßig in den Schlagzeilen der Nachrichten auf: WTO. Das steht für World Trade Organization, als Welthandelsorganisation. Ihr Sitz ist Genf, sie hat aktuell 164 Mitglieder. Was schon eine ganze Menge ist, wenn man bedenkt, dass es überhaupt nur – je nach Status – um die 195 Länder weltweit gibt. Anfang 1995 nahm die WTO ihre Arbeit auf. Die Welthandelsorganisation, darauf deutet ja schon der Name hin, soll ganz grundsätzlich die internationalen Handelsbeziehungen erleichtern. Sie passt damit natürlich genau in die Ära der Globalisierung. Für Deutschland mit seiner exportorientierten Wirtschaft ist die Arbeit der WTO deshalb auch von hohem Interesse. Allerdings hat es die WTO im Jubiläumsjahr nicht leicht. Ganz allgemein gerät die Idee der Globalisierung und die Überzeugung, dass offene Handelsbeziehungen Vorteile für alle bringen, gerade zunehmend unter Beschuss. Und ganz konkret haben die Vereinigten Staaten verhindert, das in einem zentralen Gremium der WTO Stellen neu besetzt wurden. Das passierte im vergangenen Dezember. In der Kommission, die bei der WTO internationale Handelsstreitigkeiten schlichtet, mussten zwei neue Mitglieder gefunden werden. Die US-Regierung verhinderte das. Damit ist die Handlungsfähigkeit der Welthandelsorganisation in einem wesentlichen Punkt eingeschränkt. Denn Streitschlichtung ist eine von zwei Säulen, auf denen die WTO beruht. Ein Mitgliedsland wendet sich an die Organisation, wenn es der Auffassung ist, ein anderes Land verstößt gegen die Handelsregeln. Dann gibt es ein festgelegtes Verfahren und eine Art Richterspruch. Wie der aussehen kann, zeigte sich im letzten Herbst. Die USA waren nicht damit einverstanden, wie die EU den Bau von Passagierflugzeugen förderte. Die Amerikaner bekamen recht und dürfen nach der Entscheidung der WTO Gegenmaßnahmen in einem Umfang von über 6 Mrd. Euro auferlegen. Im Februar haben sie diese Option zuletzt gezogen. Die Amerikaner, derzeit schärfste Kritiker der WTO, behielten nicht nur in diesem Fall die Oberhand. Dabei hat die US-Regierung ihre Ablehnung gerade damit begründet, dass die Vereinigten Staaten vor allem gegenüber China immer wieder durch WTO-Entscheidungen benachteiligt worden seien. Aber auch ihre Streitfälle mit den Chinesen hätten die USA weitaus überwiegend gewonnen, sagte Dr. Karl Brauner, Vize-Generaldirektor der WTO, im vergangenen Sommer bei einem Besuch in der IHK Hannover. Man kann also vermuten, dass eher die generellen Vorbehalte gegenüber internationalen Verpflichtungen die Ursache dafür sind, dass die USA die Neubesetzng der Schlichterstellen verhindert haben und so diese Säule der WTO-Arbeit torpedierten. Die WTO-Schlichter müssen tätig werden, wenn es zu einem Streitfall kommt. Besser aber wäre es, man könnte Auseinandersetzungen von vornherein verhindern. Das ist die zweite große Aufgabe der WTO: Im besten Fall sorgt die Organisation dafür, dass Handelshemmnisse erst gar nicht entstehen. Dazu gibt es immer wieder Konferenzen mit hochrangigen Teilnehmern, nicht immer allerdings erfolgreich. Die nächste Runde ist für den kommenden Juni in Nur-Sultan in Kasachstan geplant. Und jede Wette: Dann wird die WTO wieder in den Schlagzeilen der Nachrichten sein.
Liebe als Wirtschaftsfaktor
Liebe Ökonomie ... Bald ist Valentinstag. Yeah. Herzchen-Emoji. Was das mit Ökonomie zu tun hat? Der V-Day nicht unbedingt viel. Liebe aber eine ganze Menge. Zwinker-Emoji.
Ökonomen gelten ja nicht unbedingt als beinharte Romantiker. Aber in den vergangenen Jahrzehnten taucht immer wieder die Liebe als Wirtschaftsfaktor auf. Jetzt erstmal nichts Falsches denken: Die Wissenschaftler sehen das in einer engen Verbindung – im wahrsten Sinn des Wortes – mit Themen wie Ehe und Familie. Oder Familienunternehmen. Doch der Reihe nach.
Erstmal noch ein kleiner Exkurs. In den Wirtschaftswissenschaften unterscheidet man Makro- und Mikroökonomie. Makro ist das,was man sich im Prinzip unter Volkswirtschaft vorstellt. Es geht um Bruttosozialprodukt, Konjunktur, und die Beobachtung der Wirtschaft aus der Vogelperspektive.
Mikroökonomie dagegen beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen Entscheidungen Einzelner: Welche Kriterienbestimmen das Verhalten zum Beispiel von Unternehmenund den Menschen, die in ihnen zusammenarbeiten? Die Frage, wer etwas wie, wo und warum produziert stand ganz am Anfang der modernen Wirtschaftswissenschaften. Und vor etwa 40 Jahren hat ein US-amerikanischer Ökonom angefangen, Ehe und Familie nachökonomischen Kriterien zu untersuchen. Gary S. Becker hieß er, und er wurde unter anderem mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Die Ehe, sagt Becker kurz gefasst, ist eine Art Produktionsgemeinschaft: Darüber wird wohnen, schlafen oder essen organisiert, ebenso wie die Betreuung von Kindern. Und sie erfüllt abstrakte Bedürfnisse, Zuneigung oder Zusammengehörigkeit. Liebe hin oder her: Für Ökonomen ist das höchste der Gefühle ohnehin Effizienz, also die Vorstellung, dass man etwas nicht nur irgendwie hinkriegt, also effektiv ist, sondern es bestmöglich – und damit effizient – erledigt. Und da ist eine funktionierende Ehe ganz weit vorn.
Immer wieder wurde auch festgestellt, dass verheiratete Menschen in Unternehmen leistungsfähiger sind. Dazu gibt es Studien. Und die Gründe sind nachvollziehbar. Verantwortung gegenüber Ehepartner und Kindern oder gesündere Lebensweise: Abends eher zu Hause als unterwegs, weniger Party. Und – Achtung, Valentinstag – keine Suchkosten mehr für Partnerinnen oder Partner. Also weniger Ablenkung vom Job.
Trotzdem: Wo bleibt die Liebe? Damit haben sich zum Beispiel seit 2010 Ökonomen in Kanada auseinandergesetzt. Etwa mit der Frage, wie die – in westlichen Industriegesellschaften ja heute verbreitete – Heirat aus Liebe sich auf Familienunternehmen auswirkt. Weil damit die Möglichkeit ausfällt, mit einer arrangierten Vernunft-Ehe (wie vielleicht noch im 19.Jahrhundert) unternehmerisches Know-how in die Firma zu holen. Bei einer Liebesheirat richten sich die Kinder ja nicht unbedingt danach, ob der oder die Auserwählte Chef-Qualitäten hat. Aktuell diskutierte These: Diese Entwicklung hat es Familienunternehmen in westlichen Industriegesellschaften nicht leichter gemacht, aber der Gesamtwirtschaft genutzt. Und natürlich ist eine Liebesheirat soooooviel romantischer. Glücks-Emoji.
Ökonomie? Geht auch auf Youtube
Wer was zur Wirtschaft wissen will, findet Videos im Worldwide Web. Wetten?
Heute mal was Lustiges. Alt, aber lustig. Wir setzen Epic Rap Battles of History in dieser Rubrik mal als bekannt voraus. Doch nicht allen ein Begriff? Das ist der Youtube-Channel, auf dem zwei (oder mehr) Prominente gegeneinander rappen. Steven Spielberg zum Beispiel gegen Alfred Hitchcock. Über 60 Millionen Klicks in fünf Jahren. Und man kriegt auch gleich noch im Rundumschlag ein paar andere große Hollywood-Regisseure um die Ohren gehauen. Denn in den paar Minuten steckt schon ‘ne ganze Menge drin - man muss nur genau hinhören.
Hey, aber mit Wirtschaft hat das nichts zu tun, oder? Abgesehen davon, dass Hollywood ein Riesengeschäft ist. Stimmt, und bei den Epic Rap Battles muss man sich schon ziemlich die Finger wund scrollen, um was Ökonomisches zu finden. Elon Musk - der von Tesla - tritt immerhin mal gegen Mark Zuckerberg an. Übrigens: Sind natürlich nur Schauspieler. Und alles auf Englisch - immerhin mit Untertiteln. Ist also auch was für den Fremdsprachenunterricht. Der Zuckerberg-Musk-Rap ist ein Jahr alt: 20 Millionen Klicks.
Noch nicht genug Wirtschaft? Dann kommen wir jetzt, wie oben angekündigt, zu der alten Geschichte, zur Mutter aller Ökonomie-Rap-Battles. Das ist der zwischen John Maynard Keynes, dem Konjunktur-Beeinflusser. Und Friedrich August von Hayek, dem Markt-Freiheits-Verfechter. Lebemann gegen Strenggeist. Die beiden sind einfach saucool. Sieben Minuten Ökonomie-Druckbetankung. Aber auf Englisch und ohne Untertitel. Es gibt den Versuch, aus den Lyrics einen deutschen Rap-Text zu machen. Ging aber eher schief. Deshalb lieber mal hier schauen: bit.ly/2Xy76iH
Und wenn man schon mal auf Youtube ist: Seit September battlen sich auch Alexander Hamilton, erster US-Finanzminister, und Satoshi Nakamoto, Pseudonym des Bitcoin-Erfinders.
Okay - wer jetzt noch was auf Deutsch sucht, wird natürlich auch auf Youtube fündig. Kein Rap zwar, aber dafür kürzer und leiser. Ökonomie in 90 Sekunden nimmt sich Adam Smith und die unsichtbare Hand (klar, ist bildlich gemeint) vor, Ludwig Erhard und die Soziale Marktwirtschaft (ist nicht bildlich gemeint!) oder wieder den coolen, freiheitsliebenden von Hayek. Und bei dieser Reihe sorgt auch ein echter Ökonomie-Prof dafür, dass keine Fake-Infos in die Geschichte reinkommen.
Wettlauf der Systeme
Im vergangenen Jahrhundert haben sich die Marktwirtschaften westlicher Prägung gegenüber Zentralplanungswirtschaften wie in der DDR oder der Sowjetunion als erfolgreicher erwiesen. Heute ist eine neuer Konkurrent am Start. Und er ist schnell.
Es ist fast auf den Tag genau 30 Jahre her, dass in Tagen unglaublicher Euphorie die Grenze innerhalb Deutschlands fiel. Es war die Absage an ein politisches, aber auch an ein ökonomisches System. Im November 1989 wurde das Ende der Zentralplanungswirtschaft eingeläutet, mit denen sozialistische Staaten seit den 20er Jahren arbeiteten. Diese Art, eine Volkswirtschaft zu organisieren, ist heute nahezu verschwunden. Als reinrassiges Beispiel gilt meistens noch Nordkorea. Das heißt aber nicht, dass es keinen Wettstreit der Wirtschaftssysteme mehr gäbe. Im Gegenteil, er ist voll entbrannt.
Um das zu verstehen, muss man sich die konkurrierenden Systeme ansehen. Was prägt eigentlich eine Marktwirtschaft? Erstens: Insbesondere das Privateigentum auch an Produktionsmitteln. Selbst Großunternehmen können einem oder wenigen Menschen gehören. Zweitens: Der Austausch und die Verteilung von Gütern jeder Art werden über Märkte geregelt. Auf Märkten kann - prinzipiell - alles gehandelt werden. Es gibt Angebot und Nachfrage, daraus bildet sich frei ein Preis – und der ist heiß: Preise sind in einer Marktwirtschaft viel mehr als nur eine Angabe, was man bezahlen muss. Preise sind das Instrument, mit dem eine Marktwirtschaft gesteuert wird. Und grundsätzlich beruht das ganze System auf freien Entscheidungen einzelner Menschen.
Auf der anderen Seite standen die Zentralverwaltungswirtschaften. Hier steuern nicht Preise, sondern staatliche Vorgaben. Erfunden wurde das in Russland nach der Oktoberrevolution von 1917. Ziel der Revolution war der Kommunismus, aber die Revolutionäre wussten, dass sie davon noch weit entfernt waren und brauchten eine Lösung für das Hier und Jetzt, den „real existierenden Sozialismus“. Wie sollten sie die Wirtschaft organisieren, wenn nicht über Märkte und Preise? Das Ergebnis: Es sollte zwar noch Privateigentum geben, aber nur eingeschränkt an Produktionsmittel. Unternehmen sollten allen gehören und vom Staat organisiert werden. Deshalb hieß die typische Unternehmensform in der DDR auch VEB, Volkseigener Betrieb. Zweitens: Preise entstanden in Zentralverwaltungswirtschaften nicht frei auf dem Markt nach Angebot und Nachfrage, sondern wurden von einem staatlichen Amt festgelegt. Wenn aber nicht Märkte und Preise regeln, was wo von wem hergestellt, ver- und gekauft wird, muss man das anders machen. Das geschah über einen detaillierten, umfassenden, staatlich ausgearbeiteten Plan, der Betrieben zum Beispiel vorgab, was sie tun sollten. Das System war ökonomisch weitaus weniger leistungsfähig als die konkurrierenden Marktwirtschaften.
Die zentral geplanten Wirtschaftssysteme, in denen höchstens ein ganz kleiner Anteil des Sozialprodukts in privaten Unternehmen entsteht, sind verschwunden. Diesen Wettlauf haben die westlich geprägten Marktwirtschaften gewonnen. Aber jetzt ist ein anderes Wirtschaftssystem am Start. Sehen wir uns diese Mischform an: Sie ist geprägt durch Privateigentum auch an Produktionsmitteln, Märkte und Orientierung an Preisen sowie unternehmerisches Streben nach Gewinn wie in einer Marktwirtschaft. Andererseits ist es in diesen Systemen der Staat, der als lenkende Instanz letztlich die Kontrolle beansprucht und Entwicklungslinien vorgibt – wie in einer Zentralverwaltungswirtschaft. China hat mit diesem Modell einer so genannten sozialistischen Marktwirtschaft in den letzten Jahren den Sprung auf Platz zwei der weltgrößten Volkswirtschaften geschafft. Privatunternehmen spielen dort eine bedeutende Rolle, und auch die Digitalisierung hat ihren Anteil: Die börsennotierte Internet-Handelsplattform Alibaba zum Beispiel ist eine private Gründung, der Konzern gehört heute zu den Top 100 der weltgrößten Unternehmen. Andererseits hat in der Volksrepublik auch die Zahl staatseigener Unternehmen wieder zugenommen. In China wird außerdem daran gearbeitet, ein sogenanntes Social-Credit-System einzuführen. Darüber wird nicht nur das Verhalten von Menschen erfasst und bewertet: Auch Unternehmen sollen, je nach Verhalten, ein positives oder negatives Rating erhalten. Konsequenz einer schlechten Bewertung könnten zum Beispiel höhere Steuern sein. Damit würde ein Instrument entstehen, Wirtschaft und Gesellschaft genauer zu lenken, als es sich die klassischen Zentralverwaltungswirtschaften erträumt hätten.
Die westlichen, liberalen Marktwirtschaften haben den Vergleich mit den in Osteuropa entstandenen Zentralplanungswirtschaft ökonomisch für sich entschieden. Vor genau 30 Jahren lieferte der Mauerfall in Deutschland ein entscheidendes Signal. Mit der sozialistischen Marktwirtschaft ist ein neuer Wettbewerber im Vergleich der Wirtschaftssysteme im Rennen.
Gemeinsame Idee
Jeder gegen jeden? Es geht auch zusammen, und viele können mehr als einer: Fast parallel kamen im 19. Jahrhundert Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Raiffeisen auf die Idee einer Genossenschaft. Kooperation und Zusammenarbeit gibt es aber auch noch in anderer Form.
ZIEMLICH übel. Ein Bauernhof im Sommer, auf dem zwei, drei Tage lang die Milch nicht abgeholt wurde. Genauer gesagt: Es war ein Winzer im Rheingau, der auch paar Kühe hatte. Die Erinnerung daran ist noch ziemlich frisch, anders als die Milch, die in jedem verfügbaren Gefäß im Freien stand. Das war, noch bevor in den späten 80er Jahren genau diese Situation zu einem Paradebeispiel wurde, warum Genossenschaften sinnvoll sind und sich als Rechtsform so stabil gehalten haben.
Warum ist das so? Dazu erstmal ein Schritt zurück. Die klassisch geprägte Ökonomie sucht immer den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage, geregelt auf Märkten über Preise. Alle verhalten sich total rational, und wenn man den Markt nur möglichst in Ruhe lässt, bekommt man schöne optimale Ergebnisse: Milchbauer und Molkerei einigen sich auf einen vernünftigen Preis, der Tankwagen kommt, holt die Milch ab, alle sind zufrieden. Fertig.
Schön. Aber manchmal geht Realität anders. Was, wenn es nur eine Molkerei gibt und die plötzlich den Bösen spielt: „Wir wollen weniger für Deine Milch zahlen. Was, Du willst nicht? Pech, dann holen wir Deine Milch einfach nicht ab.“
Um so etwas zu vermeiden, kommen Genossenschaften ins Spiel. Dazu muss man erstmal erklären, was das ist, eine Genossenschaft: Mehrere oder sogar viele Menschen, sagen wir: Milchbauern, tun sich zusammen und bilden ein Unternehmen. Sagen wir: eine Molkerei. Den Milchbauern gehört also die Molkerei – und von einem Unternehmen, das einem gehört, lässt man sich nicht unter Druck setzen.
Jetzt könnte man sagen: Auch, wenn man Aktien kauft, gehört einem ein kleines Stück Unternehmen. Aber in einer Genossenschaft hat jedes Mitglied eine Stimme, jeder das gleiche Gewicht also. Und nicht, wie in einer AG, ein Stimmgewicht je nach Größe des Aktienpakets: Mit wenig Aktien hat man vielleicht nur ein Stimmchen.
Genossenschaften gibt es in den verschiedensten Bereichen. Man erkennt sie an der Abkürzung im Namen: eG, eingetragene Genossenschaft. Entstanden ist diese Unternehmensform in Deutschland im 19. Jahrhundert. Und zwar immer mit dem Ziel, ihre Mitglieder zu fördern (so steht es im Genossenschaftsgesetz), und oft, sie vor Abhängigkeiten oder allzu mächtigen Konkurrenten oder Geschäftspartnern zu schützen. Ein paar Beispiele: Durch den Zusammenschluss in Volks- oder Raiffeisenbanken vor mehr als 100 Jahren erhielten Menschen Kredite, die sonst nie welche bekommen hätten. Wenn sich Händler oder Handwerker zusammentaten, um über eine Genossenschaft gemeinsam Waren oder Material einzukaufen, konnten sie wegen der größeren Abnahmemenge günstigere Preise aushandeln, die man ihnen sonst nie gewährt hätte. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Zwecke, um sich in einer Genossenschaft zusammenzuschließen.
Grundsätzlich nennt man so etwas Kooperation, also Zusammenarbeit. Die gibt es aber nicht nur in Form von Genossenschaften. Viele Elektro- und Elektronikhändler gehören zu einer Langenhagener Einkaufsgemeinschaft, die aber nicht als Genossenschaft organisiert ist. Die Idee hinter einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist, dass die Versicherten Mitglieder und Träger des Vereins sind. Große Versicherer auch in Hannover sind so entstanden. Und beim Franchising arbeiten unabhängige Unternehmer nach bestimmten Regeln zusammen. Kooperation und Zusammenarbeit sind also auch in einer Marktwirtschaft allgegenwärtig.
Genossenschaften, Versicherungsvereine, Kooperationen: In solchen Institutionen tun sich zwar Menschen zusammen, um gemeinsam etwas zu erreichen. Sie sind aber deshalb nicht unbedingt eine Form eines höheren, moralisch und ethisch besseren Wirtschaftens. Sondern die Zusammenarbeit muss schlicht und ergreifend vorteilhaft sein. Abläufe vereinfachen, Abhängigkeiten verhindern, Verhandlungspositionen verbessern. Ob das gelingt, untersucht inzwischen ein eigener Zweig der Wirtschaftswissenschaften: die Institutionenökonomik.
Ohne Vertrauen wertlos
Warum hat Geld eine Menge mit Vertrauen, aber auch mit Kontrolle zu tun? Und wieso manche die die geplante Facebook-Währung Libra fürchten, erklärt dieser Beitrag von „Wirtschaft für Azubis“.
Und Marco Polo wunderte sich. In diesem Land wird mit Scheinen bezahlt, die aus der Rinde des Maulbeerbaumes gemacht sind? Der Venezianer bereiste in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts große Teile Asiens und stieß im China des Mongolenherrschers Kublai Khan auf Papiergeld, das dort schon viele Jahre zuvor erfunden worden war. In Europa gab es so etwas nicht.
Die Maulbeerbaumrinde wurde zwar aufwändig bearbeitet, einen Wert an sich hatte sie aber trotzdem nicht. Warum kann man dann damit bezahlen, fragte sich der an Gold- und Silbermünzen gewöhnte Polo. Antwort: Weil die Menschen darauf vertrauen, dass sie mit den Scheinen etwas kaufen können.
Einfach so ist dieses Vertrauen aber nicht entstanden. Marco Polo berichtete, dass einfach niemand wagte, das Papiergeld abzulehnen. Dafür sorgte schon der Khan, dessen Großvater Dschingis ja einen ziemlich eindeutigen Ruf hatte. Fälscher wurden hart bestraft. Und wenn die wenig haltbaren Scheine kaputt gingen, musste man nur wenig bezahlen, um die fleddrigen Lappen gegen neue einzutauschen.
Diese Art von Geld, das keinen Materialwert hat, nennt man übrigens Fiatgeld. Hat mit der Automarke nichts zu tun. Das lateinische Wort fiat lässt sich übersetzen mit „es sei“. Also: Dieses Papier sei Geld. Und wenn genug Leute das glauben, funktioniert es auch. Vertrauen ist also wichtig, wichtiger als die Frage, wer das Geld herausgibt, wie es aussieht oder ob es aus einem wertvollen Material besteht. Nach dem 2. Weltkrieg galten zum Beispiel Zigaretten in Deutschland als Zahlungsmittel.
Damit kommt man leicht zum Kryptogeld. Bitcoin zum Beispiel als bekanntestes oder das, was Facebook gerade angekündigt hat: Libra soll dieses Facebook-Geld heißen. Und Libra oder Bitcoin brauchen noch nicht einmal Scheine, sie existieren nur virtuell: Diese Nullen und Einsen seien Geld. Das reicht, wenn genügend Leute darauf vertrauen. Man muss nur glauben, dass das Geld seinen Wert behält. Zumindest so lange, bis man es ausgeben will.
Ob es, wie Euro, Dollar oder Yen, von staatlichen Stellen oder wie zu Marco Polos Zeiten vom Kaiser von China herausgegeben wird, spielt erstmal keine Rolle. Deshalb sind die Staaten entsprechend alarmiert, kritisieren die Facebook-Pläne und fürchten, die Kontrolle über ihre jeweiligen Währungen zu verlieren. Wenn Libra eingeführt würde, gäbe es ein privates Zahlungsmittel, das mehr als zweieinhalb Milliarden Facebook-Nutzer überall in der Welt verwenden könnten – ohne Wechselkurse, ohne Umrechnung. Das ist bequem, die Auswirkungen auf das weltweite Finanzsystem sind aber noch völlig unklar.
Soziale Frage - reloaded?
Warum man einen Begriff aus dem 19. Jahrhundert heute noch kennen sollte.
Die Soziale Frage - ist schon lange her. Aber aus der Lösung dieses gesellschaftlichen Problems entstand letzten Endes die Wirtschafts- und Sozialordnung, in der wir heute leben. Allein deshalb sollte jeder wissen, was hinter dem Begriff Soziale Frage steckt. Allerdings wird derzeit auch diskutiert, ob das Thema nicht wieder ganz aktuell ist. Doch dazu später mehr.
Entstanden ist die Soziale Frage in der Folge der ersten industriellen Revolution. Das heißt konkret: Vor 250 Jahren, genau 1769, erhielt James Watt ein Patent auf eine leistungsfähige Dampfmaschine. Von da an war richtig Druck auf dem Kessel: Die Wirtschaft in Europa veränderte sich grundlegend. Die Industriegesellschaft entstand. Lohnarbeit in Fabriken statt im Handwerk oder in Manufakturen. Ganze Berufszweige, die bislang auf Handarbeit setzten, kamen durch die Massenfertigung unter die Räder. Bevölkerungswachstum, Landflucht, Städtewachstum. Niedrige Löhne, schlechte Wohnungen, Bildungsnot, Kinderarbeit: Das war die Lage.
Mitte des 19. Jahrhunderts waren diese Probleme so heftig geworden, dass ganz verschiedene Seiten sich damit beschäftigten. Karl Marx und Friedrich Engels veröffentlichten 1848 das Kommunistische Manifest. Sie erwarteten irgendwann eine Revolution. Andere setzten auf Selbsthilfe: Daraus wurden zum Beispiel die Genossenschaften, heute die Volks- und Raiffeisenbanken und viele andere mehr. Die katholische Kirche entwickelte nach und nach sehr konkrete Vorstellungen für ein faires Zusammenleben in Wirtschaft und Gesellschaft. Gewerkschaften und Parteien entstanden als Interessenvertretung der Arbeiter. Und der Staat reagierte mit Sozialversicherungen. Vieles davon floss nach dem 2. Weltkrieg in die Soziale Marktwirtschaft als unser heutiges Wirtschaftsmodell ein. Wir leben also in einer Gesellschaft, die durch die Lösung der sozialen Frage der ersten industriellen Revolution geprägt wurde.
Jetzt leben wir, sagen viele, in der vierten industriellen Revolution. Digitalisierung statt Dampfmaschine - auch das ändert die Gesellschaft komplett. Mit einer neuen sozialen Frage? Da stehen sich zwei Seiten gegenüber. Die optimistische, die sagt: Zwar gehen viele, sehr viele Jobs durch die Digitalisierung verloren, aber gleichzeitig werden noch mehr neue entstehen. Kein Problem. Die pessimistische: Digitale Automatisierung wird mehr Jobs kosten, als neue kommen, und für die neuen gibt es nicht richtig qualifizierte Leute. Riesenproblem. Einig sind sich alle aber darin: Die Digitalisierung wird jeden einzelnen Beruf verändern. Was bedeutet: Man darf niemals aufhören zu lernen und sich weiterzubilden.
Wer ist eigentlich dieser Homo oeconomicus?
Egoistisch, rational, hundertprozentig informiert ist der von der Wirtschaftstheorie als Hilfskonstrukt geschaffene Homo oeconomicus.
Adam Smith, Begründer der klassischen Nationalökonomie, war der festen Überzeugung, dass der Eigennutz die wichtigste Triebfeder zum Wohlstand der Nationen sei. Demnach müsste nur jeder Mensch als Nutzenmaximierer Kosten und Nutzen seiner Handlungen immer genau abwägen und bestrebt sein, das für ihn beste Ergebnis zu erzielen, um auch den Wohlstand insgesamt zu optimieren. Dies setzt allerdings nicht nur vollkommene Märkte, sondern auch Menschen voraus, die immer und überall rational entscheiden.
Diesen „homo oeconomicus“ wird man in der Realität aber kaum antreffen. Es handelt sich dabei vielmehr um ein wirtschaftswissenschaftliches Hilfskonstrukt, auf das Ökonomen gerne zur Verdeutlichung wirtschaftlicher Zusammenhänge zurückgreifen. Der „Nutzenmaximierer“ müsste als repräsentativer Agent über vollständige Informationen und ganz klare Präferenzen verfügen, das heißt, er kennt nicht nur alle Güter und Handlungsalternativen, er weiß auch genau welches Gut oder welche Güterkombination welchen Nutzen stiftet und was für ihn am besten ist. Auf Grundlage seines umfassenden Wissens kann er dann rein rational entscheiden, um seinen Nutzen zu maximieren – Gefühlsschwankungen sind ihm völlig fremd.
Im tatsächlichen Leben verfügen Menschen oftmals aber einerseits nicht über alle Informationen, andererseits haben sie wechselnde Vorlieben, zum Beispiel für bestimmte Marken, oder treffen Entscheidungen situativ und nicht rational. Zudem sind in der Realität nicht alle Menschen ausschließlich auf ihren persönlichen Vorteil und ihre Nutzenmaximierung bedacht.
Das R-Wort: Rezession
Handelskriege, Brexit, fehlende Fachkräfte: Führt das zu einer Rezession? Und was bedeutet das Wort überhaupt?
Mit Rezession beschreiben die Volkswirte einen Abschwung innerhalb des Konjunkturzyklus. Die Konjunktur, das Auf und Ab im Wirtschaftsgeschehen einer Marktwirtschaft, verläuft oftmals nach zyklischen Mustern. Auf eine Zeit des dynamischen Wachstums (Boom) folgt ein Zenit. Danach nimmt das Wachstum ab, eine Rezession erfasst die Wirtschaft und möglicherweise schrumpft die Menge der Güter und Dienstleistungen in der Volkswirtschaft sogar. Wenn es dann keine Impulse wie Steuersenkungen oder staatliche Investitionsprogramme gibt, die das Wachstum wieder beschleunigen, kann die Rezession in eine Depression übergehen. Davon spricht man, wenn die Verbraucher sparen, die Unternehmen nicht investieren und diese wegen schlechter Geschäfte Mitarbeiter entlassen müssen.
Einige Volkswirte sprechen bereits von einer technischen Rezession, wenn zwei aufeinander folgende Quartale die gesamte Wirtschaftsleistung zurückgeht. Hier zeigt also die Messung der abstrakten Größe Bruttoinlandsprodukt, das ist der Wert aller Produkte und Dienstleistungen abzüglich der Vorleistungen, ob eine Rezession vorliegt. Aktuell zu Jahresbeginn 2019 besteht tatsächlich die Gefahr, dass die deutsche und europäische Konjunktur in eine Rezession abrutschen. Die Einführung von neuen Zöllen im Welthandel, der drohende Brexit und Probleme im chinesischen Markt könnten in der Summe zu großen Verwerfungen in der exportorientierten deutschen Wirtschaft führen. Allerdings gibt es derzeit noch eine starke Binnennachfrage und hohe Investitionen in Maschinen und Bauten. Diese Faktoren sprechen gegen eine beginnende Rezession.
Eine kräftige Rezession erlebten Deutschland und die Welt vor 90 Jahren, als nach dem „Schwarzen Freitag“ an der Börse im Oktober 1929 die Wirtschaft in eine lang anhaltende Rezession verfiel. Rezession und Depression waren damals noch gleichbedeutend mit Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger. Berühmt geworden sind die Bilder von Menschen, die Schilder um den Hals trugen mit der Aufschrift „Nehme jede Arbeit an“. Heute ist das – zumindest in Deutschland – sicher anders.
Auch 1973 folgt auf Jahre des Wirtschaftswachstums eine ausgeprägte Rezession, eingeleitet durch enorme Preissteigerungen für Öl. Die Geschäfte liefen schlecht, Mitarbeiter wurden entlassen, Unternehmen gingen vermehrt insolvent, was zu weiteren Entlassungen führte. In den 70er Jahre begann die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland, die erst heute – über 40 Jahre nach dem eigentlichen Auslöser – überwunden scheint.
Wozu braucht man Gold?
Gold hat seit jeher eine wichtige Funktion, und dies bleibt auch in Zeiten von Kryptowährungen so. Aber warum?
Neben Aktienkursen, dem Wechselkurs Euro/US-Dollar und den Öl-Preisen ist der Gold-Preis eine der zentralen Kennziffern für die Wirtschaftsentwicklung an den Finanzmärkten. Warum hat ausgerechnet ein Metall, ein chemisches Element (Symbol: Au), eine solch wichtige Funktion?
Gold wird seit mehr als 6000 Jahren als Schmuck genutzt und schon mehr als 2500 Jahre als Zahlungsmittel eingesetzt. Der größte Teil des gehandelten Goldes wird zu Schmuck verarbeitet, vor allem für die Kunden in China und Indien. Nur etwa zehn Prozent des Goldes werden in der Elektronik, Optik und Medizin verwendet. Der hohe Preis von derzeit etwa 36 Euro pro Gramm weckt natürlich Begehrlichkeiten, aber alle Versuche, Gold künstlich herzustellen sind bis jetzt gescheitert. Damit bleibt für die Nachfrage nur, neues Gold zu fördern. Größte Förderländer sind China, Australien, Russland und die USA, wobei bei einer jährlichen Förderung von weltweit gut 3000 Tonnen die bekannten Reserven etwa 20 Jahre ausreichen sollen.
Gold ist für viele aber vor allem eine Wertanlage und ein internationales Zahlungsmittel. Historisch wurde Gold seit Jahrtausenden als Währung eingesetzt. Eine Geldeinheit entsprach einer bestimmten Menge Gold. Da der Goldstandard die Geldmenge und die Staatsverschuldung beschränkte, waren alle Regierungen daran interessiert, den Goldstandard aufzugeben. Bis 1968 waren die Währungen – mit Ausnahme der Kriegszeiten – direkt an den Goldpreis gekoppelt. Heute sind sämtliche Währungen der Welt vom Gold losgelöst und ermöglichten so die große Ausweitung der Geldmengen und der Schulden. Seit 1973 ergibt sich der Goldpreis allein durch Angebot und Nachfrage. Der Goldpreis ist aber seitdem auch vom Ölpreis und vom Kurs des US-Dollars abhängig. Er kann zudem von den Zentralbanken beeinflusst werden, weil diese etwa 20 Prozent der weltweit vorhandenen Goldmenge als Währungsreserve horten.
In Krisenzeiten wird Gold seit Jahrhunderten als stabile Wertanlage gesehen. Der Wert von Gold wird dabei zum einen durch seine relative Seltenheit und durch die Förderkosten bestimmt, zum anderen aber auch durch die Einschätzung der Marktteilnehmer. Private und institutionelle Anleger investieren heute in Gold und in Wertpapiere, die den Goldkurs abbilden. Der Goldpreis ist ein Indikator für das Vertrauen in die Weltkonjunktur. Drohende Krisen lassen den Preis steigen, weltweites Wachstum sorgt tendenziell für nachlassende Goldpreise. Steigende Einkommen und die Einschätzung des Goldschmucks als „wertvoll“ halten den Preis jedoch hoch.
Mit Preis: Umweltökonomie
Ein Signal: Genau, als die jüngste Welt-Klimastudie veröffentlicht wurde (und gut ein Jahr, nachdem die USA das Pariser Klimaabkommen kündigten), hat ein US-Umweltökonom den Nobelpreis erhalten. Aber was ist Umweltökonomie?
Qualmende Fabrikschlote stehen wie kaum etwas sonst als Symbol für den Gegensatz zwischen Wirtschaft und Umwelt. Der Schornstein raucht, sagt man. Das heißt: Die Geschäfte laufen gut.
In Deutschland ging das so über mehr als 100 Jahre. Ab 1960 erreichte das Thema die Politik. Berühmt wurde die Forderung, dass der damals ziemlich verdreckte Himmel über dem Ruhrgebiet wieder blau werden müsse. Aber wie? Damit beschäftigt sich seit den 70er Jahren die Umweltökonomie. Und schon damals tauchte unter den Wirtschaftswissenschaftlern, die sich damit beschäftigt haben, ein gewisser William D. Nordhaus auf. Der US-Amerikaner erhielt in diesem Oktober den Wirtschaftsnobelpreis, für seine Arbeiten zur Frage, wie Wirtschaft und Klima zusammenhängen.
Aber um was geht es eigentlich? Da wären zuerst ganz grundlegende ökonomische Prinzipien: Wenn man ein gegebenes Ziel erreichen will (etwa den Schadstoffausstoß der Industrie auf einen bestimmten Wert zu verringern), dann stellen sich Wirtschaftswissenschaftler die Frage, wie man das effizient, also mit möglichst wenig Aufwand, erreicht. Ein früher Ansatz dazu war, nicht mehr jedes einzelne Unternehmen zu bestimmten Maßnahmen zu zwingen. Sondern mehrere Unternehmen in einer Region gemeinsam die beste, also kostengünstigste Lösung finden zu lassen, um den Schadstoffausstoß wie gewollt zu erreichen. Über die Verteilung der Kosten sollen diese Unternehmen dann untereinander verhandeln.
Noch ein grundlegendes Prinzip: Wenn man für etwas nicht bezahlen muss, verbraucht man verschwenderisch, so viel man will. So passierte es seit Beginn der Industrialisierung über viele Jahrzehnte: Sinnbild sind die Fabrikschlote - über die Luft wurden Abgase entsorgt. Die Kosten dieser Verschwendung tragen aber andere, schlimmstenfalls zum Beispiel in Form von Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung. Diese Kosten fallen aber nicht im Unternehmen an, sondern außerhalb, sind – das ist der Fachbegriff – externe Kosten. Also, und das ist ein wesentlicher Ansatz der Umweltökonomie, muss man dafür sorgen, dass die Nutzung der Natur ihren Preis hat, damit auch extern entstehende Kosten bei der Produktion berücksichtigt werden. Das geht über Steuern, zum Beispiel auf CO2 (dafür steht unter anderem der aktuelle Nobelpreisträger Nordhaus) oder über die sogenannten Emissionszertifikate, die man kaufen kann und die man seit 2003 in der EU haben muss, wenn man Kohlendioxid in die Luft bläst. William Nordhaus, der Nobelpreisträger, hat aber schließlich noch ein umfassendes, computerbasiertes Modell entwickelt, das Wirtschaft und Klima in Zusammenhang bringt: Neben den praktischen Ansätzen zum Umweltschutz ist das so etwas wie die Königsdisziplin der Umweltökonomie.
Mut zu alternativen Ansätzen
Ausgetretene Wege verlassen, um besser zu werden. Aber wie? Design Thinking ist ein Ansatz dazu.
Von Albert Einstein ist die Aussage überliefert, dass es eine Definition von Wahnsinn sei, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Entsprechend ist es manchmal nötig, den bekannten Pfad zu verlassen und den Mut aufzubringen, etwas anderes zu machen, wenn man andere, bessere Ergebnisse erhalten möchte. Ein möglicher Ansatz ist das Design Thinking. Dabei geht es in erster Linie nicht um Mode oder Architektur, sondern um einen Ansatz zum Lösen komplexer Problemstellungen aus allen Lebensbereichen und zur Entwicklung neuer Ideen. Im Gegensatz zu vielen hergebrachten Herangehensweisen stehen hier die Wünsche und Bedürfnisse des Nutzers im Mittelpunkt. Design Thinker sind sozusagen nutzerorientierte Erfinder. Design Thinking erfordert deshalb eine stetige Rückkopplung zwischen dem Lösungsentwickler und der Zielgruppe. Dies geschieht durch direktes Fragen und Beobachten der Abläufe und Verhaltensweisen der Zielgruppe. Dabei werden Lösungen und Ideen bereits in frühen Stadien sichtbar gemacht, ebenso ein Feedback von potenziellen Anwendern eingeholt, um möglichst praxisnahe Ergebnisse zu erhalten.
Der Design-Thinking-Ansatz beruht auf der Annahme, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn gemischte Team unterschiedlicher Hintergründe in einem variablen, die Kreativität fördernden Umfeld zusammenarbeiten und einen sechs Komponenten umfassenden „iterativen“ Prozess verfolgen. Durch die heterogenen Teams (fachlich, kulturell, altersbezogen etc.) soll eine möglichst vielfältige Herangehensweise an die Problemstellung sichergestellt werden. Ebenso wichtig ist ein geeigneter Arbeitsraum, in dem man mit unterschiedlichsten Medien und Materialien, stehend oder sitzend, in Gruppen arbeiten kann.
Bei den Komponenten des eigentlichen Design Thinking Prozesses handelt es sich um:
Verstehen: Verständnis für die Problemstellung gewinnen
Beobachten: intensive Recherche, Einsichten und Erkenntnisse gewinnen ohne sich vorschnell auf Lösungen zu stürzen
Sichtweise definieren: die Beobachtungen werden auf einen einzelnen, prototypischen Nutzer verdichtet
Ideenfindung: das gemischte Team entwickelt (insbesondere durch Brainstorming) unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten
Prototyping: Zur Veranschaulichung der gefunden Ideen und zur Entwicklung konkreter Lösungen werden Prototypen entwickelt
Testen: die Prototypen werden an der Zielgruppe getestet
Jetzt erfolgt das iterative Arbeiten, das heißt die vollzogenen Schritte werden auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse so oft wiederholt, bis ein verfeinertes, bestmögliches Produkt für die Nutzergruppe entstanden ist. Diese Verfeinerung kann sich auf einzelne oder auf alle bisherigen Prozessschritte beziehen.
Zentral geplant ins historische Aus
Eure Eltern sind wohl noch damit aufgewachsen: die Trennung der Welt in Ost und West. Mal was zur Erinnerung: Wie funktionierte das Wirtschaftssystem zum Beispiel der DDR?
Der Hype ist etwas weg, aber noch schreiben wir das Karl-Marx-Jahr. Klar, seinen Namen sollte man kennen. Vor 200 Jahren wurde er geboren, die sozialistischen Staaten beriefen sich auf ihn. Marx war vieles, Philosoph, Historiker, Journalist, Gesellschaftstheoretiker, Ökonom. Aber eines war er nicht: ein Wirtschaftspraktiker. Mit den Wirtschaftssystemen, die während des 20. Jahrhunderts in sozialistischen Staaten umgesetzt wurden, hatte er nichts zu tun. Die Leistungskraft dieser Wirtschaftssysteme blieb weit hinter der Marktwirtschaft zurück. Warum sollte man sich also mit ihnen beschäftigen? Aus zwei Gründen: Erstens gehören sie zur Geschichte. Zweitens zeigt ihr Misserfolg, welche Faktoren die Marktwirtschaft so stark machen.
Fangen wir beim Begriff an: Planwirtschaft hört man oft. Marktwirtschaftler reagieren darauf allergisch und sagen: Ist doch Quatsch, auch bei uns wird geplant, aber individuell und nicht zentral. Deshalb spricht man von Zentralplan- oder Zentralverwaltungswirtschaften. Die Idee: Unternehmen wird in einem genauen Plan vorgeschrieben, was sie in welcher Menge herstellen oder anbieten sollen. Das geht deshalb, weil die Unternehmen nicht Privatleuten gehören, sondern allen. VEB, Volkseigener Betrieb war eine typische Rechtsform in der DDR.
In einer Marktwirtschaft braucht man dazu keinen zentralen Plan, sondern die Steuerung klappt grundsätzlich hervorragend über Preise, die steigen oder fallen können. In sozialistischen Wirtschaftssystemen wurden die Preise nicht über Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern von staatlichen Stellen festgelegt. Wenn also Preise die Wirtschaft nicht steuern, was dann? Diesen Trick mussten die Ökonomen hinkriegen, und sie haben das geschafft, indem sie Rohstoffe, Maschinen, Arbeitskräfte und alles andere genauso wie Produktionsmengen in Plänen und Bilanzen erfasst und immer wieder hin- und hergerechnet haben, bis alles passte. Theoretisch hat das funktioniert: Keine schlechte Leistung. Praktisch nicht. Zum Beispiel deshalb, weil Mitarbeiter ihre Zielvereinbarungen systematisch von Jahr zu Jahr nach unten verhandelt haben: Ihr Bonus war abhängig davon, ob sie die Ziele übertrafen. Also war es klug, Ziele zu haben, die man leicht (über-) erfüllen konnte. Solcherart Probleme gab es noch mehr. Die auf Privateigentum und freie Preise, individuelle statt zentrale Planung und Entscheidung gebauten Systeme - wie unsere Soziale Marktwirtschaft - erweisen sich nicht nur in der Theorie, sondern auch praktisch als hoch leistungsfähig. Und das hat tatsächlich auch schon Marx erkannt - und war von diesen Kräften fasziniert.
Der Fußballweltmeister steht (fast) bereits fest
Auch wenn das Endspiel der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft erst am 15. Juli in Moskau stattfindet, der Sieger steht quasi schon fest – zumindest wenn man den Ökonomen glauben darf, die im Vorfeld den Ausgang des Turniers prognostiziert haben. Neben der Commerzbank, der UBS oder Goldman Sachs haben sich auch die Volkswirte der Deka-Bank versucht. Letztere haben anhand vergangener Turnierverläufe und mithilfe hochkomplexer Modellrechnungen die Wahrscheinlichkeiten für den Ausgang der einzelnen Spiele bestimmt und auf dieser Basis 10.000.000 Turnierverläufe simuliert und ausgewertet.
Das vollkommen überraschende Ergebnis: Neben Brasilien, das mit 7,7 Prozent die höchste „Champion-Wahrscheinlichkeit“ aufweist, zählen Deutschland (7,3 Prozent) und Spanien (6,8 Prozent) der Deka-Studie „Sonderausgabe zur Fußball-WM 2018: Die deutsche Fünf-Sterne-Bewegung“ zufolge zu den Turnierfavoriten. Es wird aber explizit darauf verwiesen, dass das Model keine Informationen zu aktuellen Verletzungen oder den tatsächlichen Kaderberufungen berücksichtigt.
Aber warum tummeln sich Banken und Beratungsunternehmen überhaupt auf diesem Gebiet? Hier müssen wir die sportliche Ebene vollends verlassen: Im Mittelpunkt dürfte stehen, das große Medienecho, das diese Prognosen im Vorfeld eines großen Turniers erzeugen, zu nutzen. In Zeiten, in denen Big Data und KI (Künstliche Intelligenz) in aller Munde sind, soll an einem allseits bekannten Objekt gezeigt werden, was mit statistischen Modellen und Algorithmen mittlerweile alles berechnet werden kann. Nichts anderes machen die Ökonomen in ihrer täglichen Arbeit für wirtschaftliche Zusammenhängen – dort stoßen sie allerdings selten auf ein ähnlich hohes Interesse wie bei der WM-Prognose, die sich damit – unabhängig vom tatsächlichen Turnierverlauf – zumindest als sehr gutes Marketinginstrument beweist.
Es sei angemerkt, dass in der Vergangenheit mit Kraken, Gürteltieren und anderen tierischen WM-Orakeln durchaus gute Erfahrungen gemacht wurden. Ob die statistischen Modelle hier mithalten können, wird sich zeigen.
Die Studie „Sonderausgabe zur Fußball-WM 2018: Die deutsche Fünf-Sterne-Bewegung“ von Deka Investments finden Sie hier.
Opportunitätskosten – man muss sich halt entscheiden
In der Wirtschaft wie im Privatleben müssen Menschen täglich entscheiden, wie sie ihre knappen Ressourcen, insbesondere Geld oder Zeit, einsetzen. Als Opportunitätskosten werden dabei die entgangenen Vorteile der besten Handlungsalternative bezeichnet, auf die verzichtet wird, wenn die Entscheidung für eine Alternative gefallen ist. Aus diesem Grund wird in diesem Zusammenhang auch von Alternativ- oder Verzichtkosten gesprochen. Unabhängig davon, für welche Alternative man sich entscheidet, fallen in jedem Fall Opportunitätskosten an, da gleichzeitig andere Handlungsoptionen nicht genutzt werden.
Ein geläufiges Beispiel ist der Kauf einer Immobilie: Wird ein vorhandenes Vermögen zum Immobilienkauf eingesetzt, so kann es nicht mehr verzinslich am Kapitalmarkt angelegt werden. Die Opportunitätskosten wären in diesem Fall die entgangenen Zinserträge.
Der Nutzen, der im Mittelpunkt der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie steht, lässt sich aber häufig nicht in Euro und Cent beziffern und unterscheidet sich zudem von Person zu Person und kann sich im Laufe eines Lebens verändern. Beispielsweise ist ein Angestellter in jungen Jahren unter Umständen bereit, regelmäßig Überstunden zu leisten, um sich einen schönen Sportwagen kaufen zu können. Die Opportunitätskosten wären in diesem Fall die entgangene Freizeit, die zu einem Kino- oder Schwimmbadbesuch hätte genutzt werden können. Zehn Jahre später verzichtet derselbe Angestellte eventuell lieber auf den Sportwagen, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Anderen sind Sportwagen generell nicht wichtig und sie entscheiden sich bereits in jungen Jahren für mehr Freizeit und damit gegen die Überstunden und ein höheres Einkommen, das in diesem Fall den Opportunitätskosten entspräche.
Marktversagen durch Fehlanreize
Wer bei Moral Hazard an ein Hasardspiel denkt, liegt gar nicht so falsch: Falsche Anreize sorgen für leichtfertiges Verhalten – mit fatalen Folgen.
Die Gefahr eines Moral Hazard besteht immer dann, wenn sich ein Vertragspartner durch den Abschluss eines Vertrages davon befreien kann, die möglichen Folgen seines Handelns selbst tragen zu müssen. Machen wir’s anschaulich an einer Versicherung gegen Fahrraddiebstahl. Das Risiko des Einzelnen, dass sein Fahrrad gestohlen wird, wird durch die Versicherung zum Risiko des Versicherungskollektivs: Wird das Fahrrad gestohlen, zahlt die Versicherung. Ohne Versicherung schützt man sein wertvolles Fahrrad gegen Diebstahl. Mit Versicherung besteht die Gefahr, dass man es mit diesem Schutz nicht mehr so genau nimmt. Denn man bleibt ja auf dem Schaden nicht sitzen.
Soweit die Perspektive des Einzelnen. Handeln aber viele Versicherungsnehmer in dieser Weise und schützen ihr Fahrrad nicht mehr so gut wie zuvor, werden in der Folge die Diebstähle der schlecht oder gar nicht gesicherten Fahrräder zunehmen. Die Schäden hat die Versicherung zu tragen. Aber was resultiert daraus? Die Versicherungsprämien werden steigen. Damit wird die Versicherung für bestimmte Fahrradbesitzer unattraktiv: für die, deren Fahrrad nicht so wertvoll ist, dass sich die gestiegenen Prämien noch lohnen. Und für die, die ihr Rad nach wie vor gut sichern – die „guten“ Versicherungsnehmer: Auch für sie rechnet sich die Versicherung ab einer gewissen Beitragshöhe nicht mehr, da sie im Verhältnis zu ihrem tatsächlichen Risiko jetzt viel zu teuer ist. Sie kündigen ihre Versicherung, was zu weniger Prämieneinnahmen führt. Und da tendenziell die Versicherten bleiben, die erstens teuere Fahrräder und zweitens keine Lust auf sorgfältigen Diebstahlsschutz haben, drohen weitere Prämiensteigerungen. Was wieder zu neuen Vertragskündigungen führt. Und so weiter. In der Versicherung verbleiben im Extremfall also nur die „schlechten“ Risiken. Auf diese Weise kann Moral Hazard zu einem Marktversagen führen. Denn der Versicherungsmarkt für die eigentliche Zielgruppe funktioniert nicht, weil ein Anreiz besteht, sich nach dem Abschluss der Versicherung anders, und zwar risikoreicher zu verhalten als vorher. Und die Versicherung kann das tatsächliche Verhalten ihrer Kunden nicht kontrollieren. Bei einem Hasardspiel setzt man leichtfertig sein Glück aufs Spiel – beim Moral Hazard durch fragwürdiges Verhalten die Möglichkeit, bestimmte Risiken zu versichern.
Was ist Geld?
Alles kann Geld sein, wenn es bestimmte Funktionen erfüllt! Aber welche sind das? Und sind Bitcoins Geld?
Es gibt drei wichtige Funktionen, die Geld zu erfüllen hat: Ganz allgemein kann man unter Geld (oder weitergefasst unter Zahlungsmitteln) alles verstehen, was in einer Volkswirtschaft zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen generell akzeptiert wird. Diese Tauschmittel- bzw. Zahlungsmittelfunktion ist die wichtigste Funktion des Geldes. Sie erleichtert den Austausch von Waren und Dienstleistungen und macht auf diese Weise überhaupt eine arbeitsteilige Wirtschaft mit Spezialisierungen möglich, in der sich einzelne Personen oder Unternehmen auf einzelne Tätigkeitsfelder oder bestimmte Produkte spezialisieren. Eine Tauschwirtschaft mit fortgeschrittener Arbeitsteilung muss daher eine Geldwirtschaft sein. Ansonsten müsste beispielsweise ein Schraubenfabrikant, der ein Brot kaufen möchte, erst immer einen Bäcker finden, der bereit wäre, Brot gegen Schrauben zu tauschen. Alternativ müsste er jemanden finden, der bereit wäre, eine andere Ware, die der Bäcker gerne hätte, gegen Schrauben zu tauschen. Die Tauscherei würde sich doch sehr schnell als sehr schwierig erweisen. Dagegen ist es natürlich deutlich leichter, die Schrauben zunächst zu verkaufen (= Tausch Schrauben gegen Geld) und sich anschließend beim Bäcker seiner Wahl ein Brot zu kaufen (= Tausch Geld gegen Brot).
Geld übernimmt darüber hinaus eine Funktion als Recheneinheit. Auch diese Funktion ist ein elementarer Bestandteil einer arbeitsteiligen Tauschwirtschaft. Erst durch eine allgemein anerkannte Recheneinheit kann der Wert aller Güter und Dienstleistungen zueinander in Bezug gesetzt werden. In einer Tauschwirtschaft ohne solche Bezugsgröße gäbe es bereits bei nur 500 Gütern bereits 124 750 Austauschverhältnisse. Bei einer einheitlichen Bezugsgröße, die die Geldfunktion erfüllt, gibt es zu dieser lediglich 500 Tauschverhältnisse. Der Tausch wird also deutlich übersichtlicher und unkomplizierter, anders gesagt: effizienter.
Die dritte wichtige Funktion des Geldes ist, dass es auch als Wertaufbewahrungsmittel dient. Durch Geld besteht also die Möglichkeit, die beim Verkauf von Waren oder Dienstleistungen erworbene Kaufkraft zu sammeln und zu lagern und diese erst zu einem späteren Zeitpunkt für Käufe zu verwenden. Das heißt aber auch, dass die Kaufkraft tatsächlich über einen längeren Zeitraum erhalten bleibt, setzt also ein relativ stabiles Preisniveau voraus.
Neben diesen Funktionen gibt es noch einige weitere Eigenschaften, die ein Zahlungsmittel nach Möglichkeit erfüllen sollte. So sollten die Transaktions- und die Lagerkosten möglichst gering sein. Zudem sollten Zahlungsmittel homogen, teilbar und haltbar sein. Homogen bedeutet, dass das umlaufende Geld gleich beschaffen ist. Teilbar bedeutet, dass ein großer Geldschein in kleinere Scheine und Münzen getauscht werden kann, ohne an Wert zu verlieren. Haltbar bedeutet, dass das Geld nicht weniger wert wird, weil es an Substanz verliert.
Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht zuletzt die Frage, ob Kryptowährungen wie der Bitcoin tatsächlich (bereits) diese Geldfunktion erfüllen. Die Meinungen gehen diesbezüglich auseinander. Handelt es sich wirklich um ein allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel? Wird die Wertaufbewahrungsfunktion erfüllt? Oder handelt es sich um ein Spekulationsobjekt, das von bestimmten Händlern als Zahlungsmittel akzeptiert wird, aber eventuell in einem Monat oder einem Jahr nicht mehr über die aktuelle Kaufkraft verfügt?
Steuer - Wer bekommt eigentlich was?
Insgesamt gibt es in Deutschland von der Einkommen- bis zur Hundesteuer etwa 40 Steuerarten. Mit den Steuereinnahmen finanziert der Staat seine Aufgaben auf allen politischen Ebenen – unter anderem Investitionen in die staatliche Infrastruktur (Straßen, Brücken etc.) oder in Bildung. Steuern haben aber nicht nur den alleinigen Zweck, Einnahmen zu erzielen, sondern auch eine Lenkungs-funktion. So soll die Tabaksteuer beispielsweise bewirken, dass weniger Menschen rauchen. Die Steuereinnahmen sind grundsätzlich nicht zweckgebunden, das heißt die Einnahmen aus der Kfz-Steuer müssen nicht für Investitionen in Straßen verwendet werden. Im Grundgesetz ist geregelt, wer aus welcher Steuer finanzielle Mittel erhält und wer neue Steuern einführen darf. Dabei wird zwischen Gemeinschaftssteuern, Bundessteuern, Landessteuern und Gemeindesteuern unterschieden.
Die Gemeinschaftssteuern fließen an mehrere staatliche Ebenen. Dazu zählen die Lohn- und Einkommenssteuer, die Körperschaftsteuer, die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge und die Umsatzsteuer. Zum Beispiel erhalten Bund und Länder jeweils 44 Prozent der Einnahmen der Abgeltungssteuer, die restlichen 12 Prozent erhalten die Kommunen. Die Körperschaftsteuer auf Gewinne von Kapitalgesellschaften geht hälftig an den Bund und die Länder. Die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer teilen sich Bund und Länder (jeweils 42,5 Prozent) sowie Gemeinden (15 Prozent). Von der Umsatzsteuer erhält der Bund ca. 52 Prozent, die Länder ca. 46 Prozent und die Kommunen etwa 2 Prozent. Viele Steuern fließen komplett an den Bund (Bundessteuern), beispielsweise die Alkopop- oder die Kaffeesteuer. Andere Steuern erhalten komplett die Länder (Landessteuern), beispielsweise die Bier- oder die Grunderwerbsteuer. Die Einnahmen fließen zunächst an das jeweilige Land, in dem die entsprechende Steuer erhoben wird. Allerdings erfolgt im Rahmen des Länderfinanzausgleichs ein Ausgleich zwischen reicheren und ärmeren Bundeländern. Darüber hinaus werden Gemeindesteuern erhoben. Zu diesen zählen beispielsweise die Grund- und die Gewerbesteuer sowie die Hundesteuer. Die Gemeinden können die Höhe dieser Steuern teilweise selber festlegen und so, beispielsweise durch niedrige Hebesätze bei der Gewerbesteuer, Anreize für Unternehmen schaffen, sich in dieser Gemeinde anzusiedeln.
Mikrozensus
Eine Vielzahl von statischen Aussagen über die Bevölkerung in Deutschland wird regelmäßig in unterschiedlichsten Medien veröffentlicht. Wie viele Single-Haushalte gibt es prozentual in Deutschland, über welchen Schulabschluss verfügt welcher Anteil der Einwohner oder wie viele Kinder haben miteinander verheiratete Eltern? Aber woher kommen diese Informationen überhaupt?
Die Daten stammen aus Befragungen - eine der Hauptquellen ist der Mikrozensus. Dabei handelt es sich um eine repräsentative Haushaltsbefragung, die bereits seit 1957 durchgeführt wird und aus diesem Grund auch Vergleiche im Zeitverlauf ermöglicht. Seit 1968 ist die Arbeitskräftestichprobe der Europäischen Union in die Umfrage integriert, die ein Prozent der Bevölkerung, das heißt rund 830 000 Personen in etwa 370 000 privaten Haushalten, umfasst. Über die absolut vertrauliche Befragung werden wichtige Daten hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur sowie der wirtschaftlichen und sozialen Lage gewonnen. Auf Grundlage des Mikrozensus werden Statistiken zur Erwerbstätigkeit, der Ausbildung, der Einkommensverhältnisse oder des Familienstandes bereitgestellt, die beispielsweise der Wissenschaft oder den Verwaltungen als wichtige Datenquelle oder als Ausgangspunkt weiterführender Analysen dienen.
Die Befragten werden per Zufallsstichprobe nach mathematisch-statistischen Regeln anhand der Gebäude(-teile), in denen sie leben, ausgewählt. Im Falle eines Umzuges wird der entsprechende Nachmieter bzw. -eigentümer befragt. Der Mikrozensus ist für die Bewohner der ausgewählten Wohneinheiten verpflichtend. Es ist nicht möglich, sich von der Auskunftspflicht befreien zu lassen, denn wenn nicht alle antworten müssten, wären bestimmte Bevölkerungsgruppen, beispielsweise alters- oder krankheitsbedingt, in der Stichprobe unterrepräsentiert. Für Minderjährige oder Behinderte müssen Eltern oder Betreuer Auskunft geben. Die Fragen können entweder in persönlichen Interviews oder durch eigenständiges Ausfüllen der Fragebögen beantwortet werden.
Menschen vermeiden Verluste
Der 72-jährige Verhaltensökonom Richard H. Thaler, Professor an der University of Chicago, wurde Anfang Oktober mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.
Der US-Ökonom Richard H. Thaler, der an der University of Chicago lehrt, erhält den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis. Okay, aber warum? Weil er mit seiner Forschung die Psychologie und das tatsächliche Verhalten von Menschen in die Ökonomie eingebracht hat. Entsprechend nennt man Thalers Ansatz Verhal-tensökonomik. Thalers Erkenntnisse beruhen im Gegensatz zur absoluten Mehrheit der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung der vergangenen Jahrzehnte nicht auf hochkomplizierten mathematischen Gleichungen, sondern auf Befragungen und Experimenten. Zum Beispiel hat er so herausgefunden, dass ein Verlust Menschen mehr schmerzt als ein Gewinn in gleicher Höhe. Wenn man die Sache kühl und rational betrachtet, wie es die Wirtschaftswissenschaftler lange Zeit taten, gäbe es zwischen gleich hohem Verlust und Gewinn keinen Unterschied. Vereinfacht gesagt: Auf dieser sehr rationalen Vorstellung vom menschlichen Handeln bauten die Ökonomen ihre Theorien auf. Aber jeder kann sich selber prüfen: Es ist (für viele) eben doch ein Unterschied. Thaler hat diese Idee in die Wirtschaftswis-senschaften eingebracht: Ein ganz wichtiger Fortschritt.
Daraus kann man dann Schlussfolgerungen ableiten: Da Verluste nach Möglichkeit vermieden werden sollen, halten Anleger schlecht laufende Aktien zu lange, während andererseits Gewinne zu schnell realisiert werden. Zum anderen hat Thaler die Theorie des „Mentalen Accounting“ aufgestellt. Danach richten Menschen für Ausgaben in unterschiedlichen Bereichen (Altersvorsorge, Reisen, Konsum) in ihren Gedanken unterschiedliche Konten ein. So nimmt jemand beispielsweise für eine Reise einen teuren Konsumkredit auf, obwohl er für andere Zwecke (zum Beispiel seine Altersvorsorge) schon gespart hat. So etwas erscheint zunächst mal irrational (warum Zinsen für einen Kredit zahlen, wenn man das Geld doch hat), ermöglicht aber anderseits einen besseren finanziellen Überblick und schützt langfristig die Ersparnisse.
Ein weiteres Forschungsgebiet Thalers betrifft den „liberalen Paternalismus“. Demnach verhalten sich Menschen nicht rational, sondern lassen sich beeinflussen und schaden sich oft sogar selbst durch ihre eigenen Entscheidungen. Durch gezieltes „nudging“ (anstupsen) sollen sich die Entscheidungen aber positiv beeinflussen lassen, beispielsweise zu einer gesünderen Lebensweise führen. Bei diesem Ansatz werden die Individuen zwar beeinflusst, behalten aber ihre Entscheidungsfreiheit. Geht man zum Beispiel davon aus, das unter rationalen Gesichtspunkten kein Mensch rauchen, dürfte, verbietet der Staat Zigaretten aber nicht generell, sondern „stupst“ durch Schockbilder auf Zigarettenpackungen an. Und hier noch etwas zum Mitreden für den Smalltalk: Beim Wirtschaftsnobelpreis handelt es sich nicht um einen „echten“ Nobelpreis. Der Preis wurde von der Schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel erst 1968 gestiftet.
Warum 4? Warum Punkt? Warum 0?
Oft genug gehört, aber was steckt hinter der Bezeichnung Industrie 4.0? Nehmen wir mal den Begriff Industrie 4.0 so richtig auseinander. Klar, jeder hat ihn schon gehört, seit der 2011 in Hannover (ja, tatsächlich!) erstmals in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Und eigentlich geht es auch nur um die Ziffern 4 und 0 und den Punkt dazwischen. Industrie ist eben Industrie, mehr steckt da nicht dahinter.
Zuerst mal ist Industrie 4.0 nichts weiter als ein Name, der heute für alle möglichen Entwicklungen verwendet wird, die allerdings eines gemeinsam haben: digitale Technik verändert Arbeitsabläufe in der Industrie. Egal, ob Computer die Produktion steuern oder große Datenmengen („Big Data“) analy-siert werden, Maschinen und Produkte untereinander Informationen austauschen, Anlagen übers Internet gewartet und die nächsten Defekte genau vorhergesagt werden: Auf allem klebt in Deutsch-land das Etikett Industrie 4.0. Und auch auf einem Förderprogramm der Bundesregierung, das die Digitalisierung der in Deutschland extrem wichtigen Industrie unterstützen soll. Andere Länder nennen das Ganze anders: In den USA gibt es ein Industrial Internet Consortium (IIC), in Japan die Industrial Value Chain Initiative (IVI) und in China heißt es „Made in China“. Überall sonst von 4.0 also keine Spur.
Nur bei uns. Pate standen die Versionsbezeichnungen von Software. Früher gab‘s mal Windows 3.1, dann 3.5 und 3.51 - und mit Windows 4.0 kam was ganz neues. Ähnlich Web 2.0 - das war zwar keine Software, aber auch neu und anders: Das Internet wurde damit interaktiv.
Und warum 4.0? Die Leute, die sich den Begriff ausgedacht haben, sind überzeugt, dass sich seit Beginn der Industrialisierung vor über 200 Jahren vier Revolutionen unterscheiden lassen: die erste durch die Dampfmaschine, die zweite durch die Einführung von Fließbandproduktion, die dritte durch Elektronik und Computer, und jetzt die vierte durch Digitalisierung und Vernetzung. Manche schrecken übrigens vor dem Begriff Revolution zurück und sagen lieber „digitale Transformation“. Gemeint ist das gleiche.
Das mittlere Einkommen
Medianeinkommen und Durchschnittseinkommen sind zwei Begriffe, die gerne miteinander verwechselt werden, sich aber unter Umständen deutlich voneinander unterscheiden können.
Das Durchschnittseinkommen – das arithmetische Mittel – ergibt sich, in dem die Summe aller Einkommen einer Gruppe durch die Anzahl der Gruppenmitglieder dividiert wird. Das Medianeinkommen hingegen ist das Einkommen, bei dem es in der Gruppe genauso viele Mitglieder mit einem höheren und einem niedrigeren Einkommen gibt. Bildlich: Alle Gruppenmitglieder stellen sich nach Einkommen geordnet in eine Reihe. Derjenige, der genau in der Mitte der Reihe steht, bestimmt das Medianeinkommen – das mittlere Einkommen.
Das Medianeinkommen hat insbesondere einen großen Vorteil - es ist deutlich robuster gegenüber Ausreißern. Darunter versteht man, dass das Ergebnis weniger (bis gar nicht) dadurch verzerrt wird, wenn beispielsweise ein Gruppenmitglied ein extrem hohes Einkommen bezieht. Während das Durchschnittseinkommen dadurch in Abhängigkeit der Gruppengrößen unter Umständen deutlich anstiege, wird das Medianeinkommen nicht dadurch beeinträchtigt, ob der Einkommensstärkste das Zehnfache oder das Zwanzigfache des mittleren Einkommens verdient. Solange die Einkommen der anderen Gruppenmitglieder unverändert blieben, würde die „Reihe“ genau so stehen bleiben und derjenige in der Mitte hätte nach wie vor dasselbe Einkommen.
Aus diesem Grund wird das Medianeinkommen auch bei internationalen Einkommens- oder Armutsvergleichen vorgezogen. In vielen Ländern ist die Einkommensverteilung dadurch geprägt, dass viele Bezieher niedriger oder mittlerer Einkommen wenigenBeziehern sehr hoher Einkommen gegenüberstehen. Das Durchschnittseinkommen würde von den relativ wenigen Fällen sehr reicher Haushalte deutlich nach oben gezogen, und die große Mehrzahl der Haushalte liegt mit ihrem Einkommen oder Vermögen unterhalb dieses Durchschnittswerts. Um die Mitte der Verteilung besser zu bestimmen und die Vergleichbarkeit der Lebensbedingungen der breiten Bevölkerungsmasse in den einzelnen Ländern zu erhöhen, wird daher bei Verteilungsanalysen das Medianeinkommen bevorzugt. Beispiel Deutschland: Das Medianeinkommen liegt gemäß des Sozio-oekonomischen Panels deutlich unter dem Durchschnittseinkommen. 2014 belief sich das reale Jahresnettoeinkommen je Haushalt im Durchschnitt auf knapp 25 000 Euro, während das reale Medianeinkommen 20 300 Euro betrug (jeweils in Preisen von 2010).
Kein Blick zurück im Zorn: Europas Erfolgsgeschichte
Für alle Jüngeren, die mit der Europäischen Union vor allem A wie Auseinandersetzungen und B wie Brexit verbinden: Die EU und ihre Vorläufer haben den Kontinent Schritt für Schritt zusammengeführt.
Europäische Union? Klar: EU. Was sonst? Wer heute unter 25 Jahre alt ist, kennt nichts anderes. Aber die Union hat eine lange Vorgeschichte, in der Kürzel wie EG oder EWG auftauchen. Und um den Gedanken der europäischen Einigung zu unterstützen, gab es seit den 1960er Jahren tatsächlich eine Quizsendung, die genauso abgekürzt wurde wie die Europäische Wirtschaftsgemeinschafte: EWG, Einer wird gewinnen.
Aber der Reihe nach. Bereits 1952 trat der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) – die so genannte Montanunion – in Kraft, der die damals wichtigsten Wirtschaftsbereiche der beteiligten Ländern unter eine gemeinsame Aufsicht stellte. Unterzeichner waren die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und die Niederlande. Auf diese Weise sollte ein erneuter Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ausgeschlossen werden. Während die wirtschaftliche Integration in den kommenden Jahren stetig vorangebracht werden konnte, scheiterte der politische Integrationsversuch einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 1954 in der französischen Nationalversammlung.
Am 25. März 1957 – also vor 60 Jahren, Achtung: Jubiläum – unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EGKS-Mitgliedsländer in Rom die Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom). Auf diese Weise wurde das Fundament für die wirtschaftliche Integration Europas geschaffen. Der zentrale Bestandteil der EWG war der gemeinsame Binnenmarkt, der die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital umfasst. Das Abkommen legte ebenso fest, dass eine gemeinsame parlamentarische Versammlung, ein gemeinsamer Gerichtshof und ein gemeinsamer Wirtschafts- und Sozialausschuss geschaffen werden sollten. 1965 wurde der EG-Fusionsvertrag ratifiziert, der zur Einsetzung einer gemeinsamen Kommission und eines gemeinsamen Rates der bisherigen drei Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EWG und Euratom) führte. Zum 1. Januar 1973 traten Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich der Gemeinschaft bei, bevor 1981 Griechenland und 1986 Portugal und Spanien folgten. Als nächster großer Schritt der europäischen Integration folgte 1992 die Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union (EU), mit dem unter anderem die Gründung einer Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen wurde, die später zur Einführung des Euro in aktuell 19 Mitgliedsländern führte. Gleichzeitig wurde die bisherige EWG zur Europäischen Gemeinschaft (EG) umbenannt, der sich 1995 Finnland, Österreich und Schweden anschlossen. 2004 und 2007 erfolgten die umfangreichen Osterweiterungen, mit denen Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Tschechien, Ungarn, Zypern sowie mit zweijähriger Verzögerung Bulgarien und Rumänien in die Gemeinschaft aufgenommen wurden. 2013 folgte Kroatien als nun mehr 28. Mitglied der EU.
Man sollte also annehmen, dass es sich bei der EU um eine Erfolgsgeschichte handelt, die bis zum jetzigen Zeitpunkt selbst die Auswirkungen der globalen Finanzkrise durch die Einführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (EMS) und weiterer umfangreicher Maßnahmen auf EU-Ebene bewältigten konnte. Vielmehr machen sich aktuell aber verstärkt antieuropäische Strömungen in einer Vielzahl von Mitgliedsstaaten bemerkbar, die ihren bisherigen nachhaltigsten Ausdruck im Brexit-Votum und dem daraus resultierenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gefunden haben.
Was sagt die Arbeitslosenstatistik aus?
In den Nachrichten hört sich das jeden Monat ganz einfach an: Es gibt eine Arbeitslosenquote und fertig. Tatsächlich ist es aber viel schwieriger, die Arbeitslosigkeit in Zahlen zu beschreiben.
Deutschland eilt von einem Beschäftigungsrekord zum nächsten, die Arbeitslosenzahlen haben sich kontinuierlich verringert und die Anzahl der offenen Stellen hat ebenso einen Rekord erreicht. Also alles super? Es gibt aber auch kritische Stimmen, die beklagen, dass die Arbeitslosenzahlen schöngerechnet würden und in der Realität viel mehr Menschen arbeitslos wären. Aber was stimmt denn jetzt und gibt es tatsächlich einen Widerspruch? Denn es gibt ja mehr als nur „die Arbeitslosenzahl“. Die Medien greifen zumeist zwar die Zahl der registrierten Arbeitslosen und die Arbeitslosenquote auf, die Bundesagentur für Arbeit weist aber vier verschiedene Arbeitslosenzahlen aus.
Gemeldete Arbeitslose: 2016 waren durchschnittlich 2,69 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Dazu zählen alle arbeitslos Gemeldeten bis 58 Jahre, die dem Arbeitsmarkt jederzeit zur Verfügung stehen.
Arbeitslose im weiteren Sinn: Diese Gruppe umfasst die gemeldeten Arbeitslosen und die Teilnehmer an Eingliederungsmaßnahmen sowie die über 58-Jährigen ALG-II-Empfänger, die vom Jobcenter länger als ein Jahr keine Arbeit mehr angeboten bekommen haben, aber dem Arbeitsmarkt nach wie vor zur Verfügung stehen. 2016 belief sich die Zahl im Durchschnitt auf 3,06 Millionen.
Unterbeschäftigte im engeren Sinn: Diese Gruppe umfasste 2016 im Durchschnitt 3,55 Millionen Menschen. Zusätzlich zu den Arbeitslosen im weiteren Sinn werden hier die Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen – wie berufliche Weiterbildung, 1-Euro-Jobs und Integrationskurse – und krankgemeldete Arbeitslose berücksichtigt.
Unterbeschäftigte im weiteren Sinn: Hier werden ergänzend zu den Unterbeschäftigten im engeren Sinn auch die geförderten Selbstständigen berücksichtigt, die aktuell einen Gründungszuschuss beziehen. 2016 waren im Durchschnitt 3,58 Millionen im weiteren Sinn unterbeschäftigt. Es zeigt sich also, dass die eigentliche Arbeitslosenzahl in gewisser Weise beschönigt, denn es sind darüber hinaus noch mehr Menschen ohne Arbeit. Betrachtet man aber die Entwicklung des Arbeitsmarktes von 2008 bis 2016, so lässt sich feststellen, dass sich der Arbeitsmarkt in allen vier Kategorien deutlich verbessert hat. 2008 wird übrigens deshalb als Vergleich herangezogen, weil in dem Jahr die Statistik umgestellt wurde, so dass die Zahlen aus den Vorjahren nicht 1:1 mit den Zahlen ab 2008 vergleichbar sind. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen ist um gut 17 Prozent gesunken, die Unterbeschäftigung im weiteren Sinne nahm sogar um nahezu 26 Prozent ab. Der Rückgang der Arbeitslosen im weiteren Sinn fällt mit lediglich 8 Prozent hingegen eher gering aus. Hier muss angemerkt werden, dass sich heute tatsächlich mehr Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen befinden oder aus Altersgründen nicht mehr als Arbeitslose registriert sind als 2008.
Sozialwahl – was ist das denn?
Es ist wieder soweit: Seit 1953 findet alle sechs Jahre eine Sozialwahl statt. Warum eigentlich?
Die gesetzlichen Renten- und Krankenversicherungen sind selbstverwaltet, das heißt, dass sie von den Einzahlern – also Arbeitnehmer und Rentner sowie Arbeitgeber – kontrolliert werden. Das machen gewählte Parlamente, die paritätisch besetzt sind: Eine Hälfte der Sitze wird von der Arbeitnehmerseite gewählt, die andere Hälfte von der Arbeitgeberseite besetzt. Wer darf wählen? Jeder, der schon einmal in die Rentenversicherung einzahlt hat. Bei den Krankenkassen wählen die Mitglieder, also alle, die Beiträge zahlen. Familienversicherte ohne eigene Beitragszahlung dürfen entsprechend nicht wählen. Die Staatsangehörigkeit spielt keine Rolle. Das Mindestalter liegt bei 16 Jahren. Um welche Versicherungen geht es? Einerseits sind dies die Vertreterversammlungen der Deutschen Rentenversicherung auf Bundesebene und im Saarland sowie andererseits die Verwaltungsräte der sogenannten Ersatzkassen. Zu diesen gehören beispielsweise die KKH, die TK oder die DAK. Wer wird gewählt? Nicht einzelne Personen, sondern Listen. Das bedeutet, dass sich unterschiedliche Gruppen zur Wahl stellen, die entweder einer bestimmten Organisation (Gewerkschaften, Krankenkassen etc.) zuzuordnen sind oder sich aus gänzlich unabhängigen Personen zusammensetzen. Bei der Vertreterversammlung der Rentenversicherung Bund stehen beispielsweise zwölf Listen zur Wahl. Die Listen, auf die bei der Wahl die meisten Stimmen entfallen, erhalten entsprechend die meisten Plätze in den jeweiligen Parlamenten.
Die Sozialwahl ist eine Briefwahl. Alle Wahlberechtigten erhalten ihre Stimmzettel per Post und müssen sie, damit sie gültig sind, bis zum 31. Mai zurücksenden.
Es gibt viele gute Gründe, sich an der Sozialwahl zu beteiligen. Die Selbstverwalter wählen und kontrollieren die hauptamtliche Verwaltung und sorgen dafür, dass die Interessen der Versicherten gewahrt bleiben. Die gewählten Vertreter kontrollieren die Finanzen der Sozialversicherungsträger. Bei der Rentenpolitik werden zwar die großen Entscheidungen (Renteneintrittsalter, -höhe und –beitrag) per Gesetz festgelegt, aber andere Fragen, beispielsweise das Angebot an Beratungsstellen oder Rehabilitationen, die Überprüfung von Einsprüchen gegen Rentenbescheide unterliegen der Selbstverwaltung. Die Krankenkassen bestimmen in ihrer Selbstverwaltung unter anderem über ihre Satzungsleistungen, zum Beispiel, ob Reiseschutzimpfungen übernommen werden.
Antworten gefunden
Zurzeit ist die Agenda 2010 wieder in aller Munde, aber was umfasste sie eigentlich?
Für den Rest der Welt war Deutschland 2003 der „kranke Mann Europas“. Arbeitslosigkeit hoch, Wirtschaftswachstum niedrig. Die Agenda 2010 war die Antwort darauf und zugleich auf die Herausforderungen der Globalisierung und des demografischen Wandels.
Arbeitsmarkt Vor allem die Reformen des Arbeitsmarkts und des Arbeitslosengelds, die auf Vorschläge einer Expertenkommission unter Peter Hartz zurückgehen, werden mit der Agenda in Verbindung ge- bracht. Hierzu zählten eine Deregulierung der Zeitarbeit (Hartz I), der Ausbau geringfügiger Beschäftigung, die Einführung von Ich-AGs und die Einrichtung von Jobcentern (Hartz II) sowie der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit zur Bundesagentur für Arbeit (Hartz III). Im Mittelpunkt stand die Neuorganisation der Absicherung von Arbeitslosen (Hartz IV), die die bis dahin parallel existierenden Systeme Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammenführte und die Bezugsdauer der Leistungen neu regelte. Seitdem hat ein sozialversichert Beschäftigter im Falle der Arbeitslosigkeit, sofern er in den zurückliegenden zwei Jahren mindestens zwölf Monate gearbeitet hat, einen Anspruch auf ein einkommensabhängiges, zeitlich begrenztes Arbeitslosengeld I. Die Anspruchsdauer erhöht sich schrittweise mit den Beitragszeiten von sechs auf bis zu zwölf Monate (Sonderregelungen ab Ü50, bis zu 24 Monate bei Ü58). Danach wird unbefristet ein Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich Hartz IV) als Grundsicherung gezahlt. Vor den Reformen wurde im Anschluss eine einkommensabhängige Arbeitslosenhilfe gezahlt.
Reform der Sozialsysteme Um die Sozialsysteme bezahlbar zu halten, wurden die Rentenund die Gesundheitsversicherung reformiert. Gesetzliche und betriebliche Altersversorgung wurden durch die staatlich geförderte private Rente („Riester- und Rürup-Rente“) ergänzt. Das Rentenniveau wurde neu justiert und die Entwicklung der gesetzlichen Renten an das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern gekoppelt. Im Gesundheitswesen dämpften zwei Reformen durch stärkere Eigenbeteiligung der Beitragszahler (unter anderem Praxisgebühr, höhere Zuzahlungen) und durch Leistungseinschränkungen (Zahnersatz etc.) die Kostensteigerungen. Familien- und Bildungspolitik Die Investitionen für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren wurden erhöht, der Ausbau von Ganztagsschulen vorangetrieben und eine BAföG-Reform durchgeführt, um mehr jungen Menschen eine Hochschulbildung zu ermöglichen. Darüber hinaus wurden Steuervergünstigungen für die Kinderbetreuung und die Einstellung von Haushaltshilfen in Privathaushalten eingeführt.
Reform des Steuersystems Die Steuerpolitik verfolgte im Wesentlichen zwei Reformansätze. Einerseits wurde der Verbrauch von fossilen Energieträgern stärker besteuert und mit den eingenommenen Mitteln die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt, andererseits wurden Arbeitnehmer und Unternehmen entlastet. Die Einkommenssteuer sank in mehreren Stufen, der Eingangssteuersatz von 25,9 auf 15 Prozent, der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent. Die Unternehmenssteuern wurden gesenkt, um die Verlagerung von Standorten und Arbeitsplätzen ins Ausland zu stoppen und die in Deutschland traditionell starke mittelständische Wirtschaft zu stärken. Der Körperschaftsteuersatz sank von 40 auf 25 Prozent und kleinere Unternehmen wurden bei der Gewerbesteuer entlastet.
Nominal- und Realzins
Real? Nominal? Ganz egal? Natürlich nicht. Wo liegen die Unterschiede, was gilt es zu beachten?
Es gibt eine Vielzahl von Zinsen. Guthabenzinsen auf Spar- oder Tagesgeldkonten, Sparverträge oder Anleihen, aber auch Kreditzinsen für Dispositions-, Konsum- oder Hypothekenkredite. Die Höhe der Zinsen unterscheidet sich insbesondere in Abhängigkeit von der Laufzeit und der Bonität des Gläubigers. Zudem beeinflusst der Leitzins, der durch die Zentralbank festgelegt wird, das Zinsniveau. Vereinfacht lässt sich sagen: Senkt die Zentralbank den Leitzins, zum Beispiel aufgrund gesunkener Inflationserwartungen, so sinkt das Zinsniveau. In der Folge reagieren die Banken und senken zunächst die Zinssätze für Sicht- und kurzfristige Spareinlagen (Tagesgeld- und Sparkonten). Da sie sich das Geld jetzt alternativ auch günstiger bei der Zentralbank leihen können, bieten sie den Kunden geringere Guthabenzinsen. Andererseits können die Banken den Kunden jetzt Kredite zu günstigeren Konditionen anbieten, da sie selbst günstiger das Geld erhalten. Bei all diesen Zinsen – egal, ob für Sparkonten oder Hypothekenkredite – handelt es sich immer um Nominalzinsen. Diese Nominalzinsen sind zwar ein Anhaltspunkt ob ein Kredit günstig ist oder ein Anlagezins hoch, aber sie sagen noch relativ wenig aus. Erst unter Berücksichtigung der Inflationsrate lässt sich das beurteilen. Entscheidend ist der Realzins, den man errechnet, indem man die Inflationsrate vom Nominalzins abzieht:
Der Realzins berücksichtigt, dass Geldvermögen bei steigenden Preisniveaus (Inflation) an Wert und damit an Kaufkraft verliert. Der tatsächliche Realzins kann nur rückwirkend bestimmt werden, da bei einer Geldanlage zum Zeitpunkt der Anlage nur Erwartungen bezüglich der Inflation bestehen, die tatsächliche Inflation ist erst im Nachhinein bekannt. Der (erwartete) Realzins hat einen Einfluss auf das Sparverhalten, das Investitionsverhalten von Unternehmen und die Staatsfinanzen. Für einen Kapitalanleger ist es beispielsweise entscheidend, ob er sich nach einem bestimmten Zeitpunkt für sein eingesetztes Kapital weniger, mehr oder zumindest genauso viel kaufen kann als zum Zeitpunkt der Anlage.
Zwei Beispiele
Fall 1) Bei einer einjährigen Geldanlage mit einer Verzinsung von 1 Prozent und einer erwarteten Inflation von 0,5 Prozent beträgt der erwartete Realzins 0,5 Prozent. Das lässt einen Kaufkraftgewinn erwarten. Stellt der Anleger aber nach einem Jahr fest, dass die tatsächliche Inflation beispielsweise 1,3 Prozent betragen hat, ist der tatsächliche Realzins negativ und das Kapital hat trotz Verzinsung an Kaufkraft verloren.
Fall 2) Bei einer einjährigen Geldanlage mit einer Verzinsung von 1 Prozent und einer erwarteten Inflation von 2 Prozent würde der erwartete Realzins -1 betragen. Es wird also ein Kaufkraftverlust erwartet. Hier müsste der Anleger ernsthaft in Erwägung ziehen das Geld lieber jetzt auszugeben oder sich eine alternative Anlage zu suchen, die einen höheren Realzins verspricht.
Der Reallohn
Was unterscheidet den Nominal- vom Reallohn?
Warum ist der Reallohn eigentlich viel entscheidender?
Der Reallohn setzt den Nominallohn ins Verhältnis zum Preisniveau. Dabei ergibt sich der Reallohn, indem der Nominallohn durch das Preisniveau dividiert wird. Das heißt, mit einer Zunahme des Nominallohnes ist ein Anstieg des Reallohnes verbunden und mit einem Anstieg des Preisniveaus eine Verringerung des Reallohnes. Steigen sowohl Nominallohn als auch das Preisniveau, ist demnach entscheidend, welche Komponente stärker steigt.
Es wird zwischen zwei Interpretationen des Reallohnes unterschieden. Zum einen kann der Nominallohn als Nettolohn, also nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern, verstanden werden. In diesem Fall ließe sich ein Anstieg des Reallohnes als eine Zunahme der Kaufkraft der Lohnempfänger interpretieren. Zum anderen kann der Nominallohn als Bruttolohn betrachtet werden. In diesem Fall zeigen Veränderungen des Reallohnes an, ob der Faktor „Arbeit“ für die Arbeitgeber teurer oder billiger wird.
Hier soll insbesondere der erste Fall betrachtet werden. Der Reallohn ist demnach der um die Inflation bereinigte nominale Nettolohn und gibt die tatsächliche Kaufkraft wieder. Zur Verdeutlichung sollen drei Fälle betrachtet werden.
In Fall 1 steigt der Nominallohn um 2 Prozent und das Preisniveau um 1 Prozent. Der Reallohn würde entsprechend um 1 Prozent steigen, das heißt der Lohnempfänger könnte sich real mehr für sein Geld kaufen als im Vorjahr.
In Fall 2 nimmt der Nominallohn erneut um 2 Prozent zu, das Preisniveau steigt aber um 3 Prozent. Der Reallohn sinkt entsprechend um 1 Prozent, das heißt der Lohnempfänger bekommt zwar mehr Geld nominal ausbezahlt, kann sich dafür aber real weniger kaufen.
In Fall 3 steigen sowohl Nominallohn als auch das Preisniveau um 3 Prozent. Der Reallohn und damit die Kaufkraft bleiben unverändert.
Die Grafik gibt einen Überblick über die jeweilige Reallohnentwicklung in Deutschland der vergangenen 20 Jahre.
Exportland Niedersachsen
Die deutsche Wirtschaft ist eine der exportstärksten der Welt. Nach China und den Vereinigten Staaten von Amerika ist Deutschland aktuell drittgrößter Exporteur. Der Export ist das wesentliche Fundament des Wohlstandes hierzulande. Auch die niedersächsische Wirtschaft ist stark an den internationalen Märkten engagiert. Die wichtigsten Ausfuhrländer Niedersachsens waren im Jahr 2015 die Niederlande (7,7 Mrd.), Großbritannien (7,1 Mrd.), Frankreich (6,7 Mrd.) und die USA (6,2 Mrd.).
Der größte Anteil mit rund 28,5 Milliarden Euro entfiel auf die Ausfuhr von Erzeugnissen des Straßenfahrzeugbaus, wie PKW oder KF Z-Teile. Es folgen Maschinen (10 Mrd. Euro), Nahrungs- und Futtermittel (8,2 Mrd. Euro) und chemische Erzeugnisse (7,3 Mrd. Euro). Die Exporte Niedersachsens stiegen 2015 im Vergleich zu 2014 um 7,0 Prozent, während die deutschen Exporte (lediglich) um 6,4 Prozent zunahmen. Besonders hohe Wachstumsraten verzeichneten die niedersächsischen Ausfuhren vor allem in die USA (+35 Prozent), die Türkei (+29 Prozent) und Großbritannien (+15 Prozent). Im Gegensatz dazu war das China-Geschäft erstmalig nach langer Zeit rückläufig. Hier gingen die niedersächsischen Exporte um mehr als 500 Mio. Euro (-14 Prozent) zurück. Auch das Russland-Geschäft, das aufgrund der Sanktionen bereits im Vorjahr stark gelitten hatte, sank erneut um 18 Prozent.
Für das aktuelle Jahr (bis einschließlich Juli) ergibt sich bisher ein gemischtes Bild. Während die Exporte nach China (+16 Prozent) oder Italien (+16,7 Prozent) wieder deutlich anstiegen, entwickelten sich insbesondere die Exporte nach Großbritannien (-11 Prozent) aufgrund der zunächst vorherrschenden Unsicherheit vor beziehungsweise der starken Pfund-Abwertung nach dem Brexit-Votum deutlich schwächer als 2015. Insgesamt befinden sich die niedersächsischen Ausfuhren auf Vorjahresniveau.
Verträge gestalten
Jedes Jahr im Oktober findet die Bekanntgabe des Wirtschaftsnobelpreises statt. Dieses Jahr erhielten Oliver Hart und Bengt Holmström die Auszeichnung „für ihre Beiträge zur Vertragstheorie“, so die Schwedische Akademie der Wissenschaften. Beide lehren und forschen in den USA, Oliver Hart (Bild rechts) an der Universität Harvard, der Finne Bengt Holmström (Bild links) am Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Verträge regeln viele Bereiche unseres täglichen Lebens: Handyvertrag, Ausbildungsvertrag, auch der Abschluss einer Versicherung ist ein Vertrag. Hart und Holmström untersuchen, wie Verträge optimal ausgestaltet sein sollten. Sie haben zum Beispiel untersucht, wann es sinnvoller ist, Manager mit Boni oder mit Aktienoptionen zu bezahlen oder ob Schulen oder Gefängnisse besser privat oder öffentlich betrieben werden sollten.
Beim Wirtschaftsnobelpreis handelt es sich nicht um einen „echten“ Nobelpreis, da er nicht von Alfred Nobel vorgesehen war. 1968 hat die Schwedische Reichsbank den Preis für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel gestiftet. 1969 wurde der erste Preisträger ausgezeichnet. Die Verleihung findet aber gemeinsam mit den Nobelpreisen für Physik, Chemie, Medizin und Literatur im schwedischen Stockholm statt. Das Preisgeld beträgt 8 Millionen Schwedische Kronen, das sind umgerechnet rund 824 000 Euro. Der durchschnittliche Preisträger ist männlich und 67 Jahre alt, US-Amerikaner bzw. lehrt und forscht in den USA. Bislang erhielt nur ein einziger deutscher Ökonom den Wirtschaftsnobelpreis: der in diesem Jahr verstorbene Reinhard Selten. Gemeinsam mit John Harsanyi und John Nash (im Film „A Beautiful Mind“ durch Russell Crowe dargestellt) wurde er für seine Forschungen in der Spieltheorie ausgezeichnet.
Bilder: Nobelprize.org
Wirtschaftsforschung
Sie wissen, wo die Reise hin geht und ob sich die Wirtschaft gut, schlecht oder durchschnittlich entwickelt - die Wirtschaftsforschungsinstitute
ifo, ZEW, DIW, IW, RWI, IfW, IWH und IMK - Nein, das ist nicht der Anfang eines Songs einer bekannten Stuttgarter Hip-Hop-Gruppe. Es sind die Kürzel der bekanntesten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. Ihre Aufgabe ist es durch Umfragen und Analysen die wirtschaftliche Lage und Entwicklung zu beurteilen und die Politik in Wirtschaftsfragen zu beraten.
Das Münchner ifo-Institut mit seinen rund 190 Mitarbeitern ist vielen sicher durch den monatlich erscheinenden ifo-Geschäftsklimaindex bekannt. Auf der Basis von 7000 Unternehmensantworten gibt dieser die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland wieder. Einen hohen Bekanntheitsgrad hat es auch durch seinen langjährigen Chef Hans-Werner Sinn erfahren, der mit seinen polarisierenden Thesen bundesweit Aufmerksamkeit erregte. Seit 1. April diesen Jahres steht Clemens Fuest als Ifo-Präsident an der Spitze des Instituts.
Mit mehr als 300 Mitarbeitern ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus Berlin das größte deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut. Dessen Alleinstellungsmerkmal ist das Sozioökonomische Panel (SOEP), das seit über 30 Jahren mehrere tausend Haushalte zu wichtigen Themen befragt. Lange Zeit galt das DIW als keynesianisch ausgerichtet. Heute macht es unter anderem mit sozio-ökonomischen Fragestellungen auf sich aufmerksam.
Ebenfalls zu den großen Instituten gehört das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim mit 186 Mitarbeitern. Nach einem Führungswechsel im April 2016 soll Marktdesign - wie müssen Märkte ausgestaltet sein, damit sie effizient funktionieren - ein neuer Schwerpunkt sein.
Groß und in der Öffentlichkeit präsent ist außerdem auch das arbeitgebernahe und privatfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln mit knapp 140 Beschäftigten. Dessen Schwerpunkt liegt klar auf der Förderung und Unterstützung der sozialen Marktwirtschaft und Wettbewerb.
Öffentliche Güter und Trittbrettfahrerverhalten
Was sind „öffentliche Güter“ und warum gibt es sie? Öffentliche Güter sind Güter, bei denen auf dem Markt kein Ausgleich durch Angebot und Nachfrage zustande kommt, da einzelne Konsumenten nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden können. Diese (reinen) öffentlichen Güter weisen neben dieser Nichtausschließbarkeit auch eine Nichtrivalität hinsichtlich ihres Konsums auf. Das heißt, sie können von mehreren Personen gleichzeitig konsumiert werden, ohne dass diese sich gegenseitig beeinträchtigen. Dies führt in der Realität zum Auftreten des sogenannten Trittbrettfahrerverhaltens (free rider): Personen, die nicht vom Konsum ausgeschlossen werden können, nutzen ein entsprechendes Gut, ohne dafür zu bezahlen. Als Konsequenz werden private Anbieter nicht bereit sein, diese Güter anzubieten, da sie ihre Leistung nicht entsprechend vergütet bekommen. Hier ist unter Umständen der Staat aufgrund wirtschaftlicher oder politischer Überlegungen gefordert, öffentliche Güter zur Verfügung zu stellen und die (potenziellen) Nutzer ggf. über Steuern oder Abgaben an der Finanzierung zu beteiligen. Typische reine öffentliche Güter sind beispielsweise die Landessicherheit oder die Straßenbeleuchtung, von der gleichermaßen alle gleichzeitig profitieren, ohne dass der Konsumnutzen des Einzelnen durch den Konsum anderer beeinträchtigt wird. Gleichzeitig kann niemand davon ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus gibt es auch unreine öffentliche Güter. Einerseits die „Allmendegüter“, bei denen das Ausschlussprinzip nicht greift, aber Rivalität im Konsum besteht, das heißt der Nutzen eines Konsumenten durch einen weiteren Nutzer eingeschränkt wird. Das klassische Beispiel hierfür sind verstopfte (mautfreie) Straßen, bei denen durch jedes zusätzliche Fahrzeug der Nutzen verringert wird. Andererseits gibt es „Clubgüter“, bei denen keine Rivalität im Konsum besteht, aber das Ausschlussprinzip greift. Ein typisches Beispiel ist Pay-TV.
Effektiv oder effizient: Vollkommen egal oder doch nicht?
Es gibt Begriffe, die oftmals synonym gebraucht werden, obwohl sie eine gänzlich andere Bedeutung haben. In wirtschaftlichen Zusammenhängen werden gerne die Begriffe „effektiv“ und „effizient“ verwendet und dies oftmals scheinbar willkürlich. Aber wo liegt eigentlich der Unterschied? Wir schauen uns zunächst die Definitionen an:
Unter Effektivität wird das Maß der Zielerreichung verstanden, das heißt das Verhältnis vom Angestrebten zum tatsächlich Erreichten. Es wird also die Wirksamkeit betrachtet, so dass man vereinfacht sagen kann, es ist entscheidend, ob die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Unter Effizienz versteht man das Verhältnis von Einsatz und Ergebnis. Dieses Verhältnis gilt es nach dem ökonomischen Prinzip zu optimieren, das heißt einen bestimmten Output mit möglichst wenig Input zu erreichen (Minimalprinzip) oder mit einem bestimmten Input möglichst viel Output zu erzeugen (Maximalprinzip). Hier ist also entscheidend, dass die vorhandenen Mittel wirtschaftlich eingesetzt werden. Und was ist wichtiger, Effektivität oder Effizienz? Die Relevanz lässt sich relativ einfach an einem Beispiel aufzeigen. Angenommen das Ziel besteht darin, dass mehr Sonnenlicht auf eine sehr schattige Terrasse fallen soll. Dazu soll im Garten ein Baum gefällt werden. Zur Verfügung stehen eine Handsäge, eine Axt und eine Motorsäge. Nehmen wir an, es handelt sich bei dem Baum um eine stattliche Eiche, so wären zwar alle drei Wege den Baum zu fällen effektiv, da wirksam, aber die Wahl der Motorsäge wäre die effizienteste, da das Ziel mit einem möglichst geringem Aufwand (Krafteinsatz und Zeitaufwand) erreicht werden würde. Wird aber versehentlich ein falscher Baum mit der Motorsäge gefällt, so wäre dies zwar nach wie vor die effiziente Variante, die Effektivität wäre aber nicht mehr gegeben, wenn im Anschluss nicht mehr Licht als zuvor auf die Terrasse fallen würde.
Dementsprechend genießt die Effektivität grundsätzlich höchste Priorität, das heißt es muss zu aller erst sichergestellt werden, dass das Richtige getan wird. Im Anschluss gilt es das Richtige möglichst „richtig“ (im Sinne von effizient) umzusetzen. Es bringt nichts, falsche Dinge sehr gut umzusetzen, wenn am Ende das angestrebte Ziel verfehlt wird.
Der Big Mac Index
Ist eine Währung über- oder unterbewertet? Wie steht es mit der Kaufkraft einer Volkswirtschaft? Um das herauszufinden führte das britische Wirtschaftsmagazin The Economist mit dem Big Mac Index ein nicht ganz ernst gemeintes Maß ein.
Regelmäßig ermittelt der Big Mac Index, wie viel ein Big Mac in den unterschiedlichen Ländern zum aktuellen Dollar-Kurs kostet. Den Big Mac hat man gewählt, weil er dort, wo er verkauft wird, hinsichtlich Zubereitung und Zutaten fast überall identisch und somit vergleichbar ist. Umgerechnet in Dollar sollte der Big Mac in einer globalisierten Welt theoretisch überall dasselbe kosten. Dass das nicht so ist, liegt an der unterschiedlichen Kaufkraft der Währungen: Im Januar 2016 mussten Konsumenten in den USA im Durchschnitt 4,93 US-Dollar für einen Big Mac bezahlen, in der Eurozone umgerechnet 4,00 US-Dollar. In der Schweiz kostete der Burger 6,44 US-Dollar. Nach dem Big Mac Index war der Euro damit um 19 Prozent unterbewertet. Der Schweizer Franken, der im vergangenen Jahr als sicherer Währungshafen verstärkt nachgefragt worden war, gilt danach um 30 Prozent überbewertet.
Der Big Mac Index basiert auf der Kaufkraftparitätentheorie, einer Theorie zur Erklärung von Wechselkursentwicklung. Langfristig sollen sich der Binnen- und Außenwert einer Währung angleichen. Ein unterbewerteter Euro führt dazu, dass Importe aus der Eurozone für den US-Konsumenten relativ günstiger sind und stärker nachgefragt werden. Durch die steigende Nachfrage gewinnt der Euro an Wert, der Wechselkurs steigt.
Der Big Mac Index hat einen wahren Kern und ist inzwischen fest in der Volkswirtschaftslehre etabliert. Seine Aussagekraft stößt aber an ihre Grenzen, wenn lokale und politische Einflussfaktoren (Transport-, Lohnkosten oder Wertschätzung) auf den Preis Einfluss nehmen, die nicht von der nationalen Kaufkraft abhängig sind.
Währung und Wechselkurse
Der Wechselkurs, manchmal wird er auch als Devisenkurs bezeichnet, gibt das Tauschverhältnis zwischen zwei Währungen an. Wenn der Euro bei 1,10 US-Dollar notiert, dann erhält man für 1 Euro 1,10 US-Dollar. Diese Darstellung, wie viel Fremdwährung man für eine Einheit der eigenen Währung erhält, wird als Mengennotierung bezeichnet. Der Wechselkurs kann auch in der Preisnotierung angegeben werden, die angibt, wieviel eine Einheit der Fremdwährung kostet. Um das vorherige Beispiel aufzugreifen: 1 Dollar kostet dann 0,90 Euro.
Der Euro-Dollar-Wechselkurs ist ein flexibler Wechselkurs, das heißt er bildet sich durch Angebot und Nachfrage. Feste Wechselkurse gab es im Bretton Woods System (1946-1973). Das Tauschverhältnis zwischen zwei Währungen bleibt bei festen Wechselkursen immer gleich, Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage müssen dann beispielsweise durch die Zentralbank ausgeglichen werden. Ein festes Wechselkurssystem ist der Wechselkursmechanismus II (WKM II), in dem der Wechselkurs der darin befindlichen Währungen um maximal 15 Prozent um den zum Euro festgelegten Leitkurs schwanken darf. Am WKM II müssen alle Länder teilnehmen, bevor sie den Euro einführen können.
Der Wert einer Währung kann steigen oder fallen. Wenn der Euro nicht mehr bei 1,10 US-Dollar, sondern bei 1,50 US-Dollar notiert, dann hat er aufgewertet, also an Wert gewonnen. Für 1 Euro bekommt man dann mehr Dollar. Waren aus den USA werden für Konsumenten aus der Eurozone günstiger. Bei einer Abwertung fällt der Kurs und das Tauschverhältnis verschlechtert sich. Auf- und Abwertungen können durch Devisenmarktinterventionen oder Leitzinsänderungen durch die Zentralbank, Nachfrageveränderungen infolge steigender bzw. rückläufiger Direktinvestitionen oder veränderter Anlegererwartungen eintreten.
Der Wirtschaftskreislauf - Aufbau einer arbeitsteiligen Wirtschaft
Der Wirtschaftskreislauf ist ein schematisches Modell, das die Güter- und Geldbewegungen einer Volkswirtschaft umfasst. Dazu zählen alle Transaktionen von Gütern oder Forderungen, die mit Gegenleistungen (Tausch) und ohne Gegenleistungen (Transfer, Schenkung) von einem Wirtschaftssubjekt (Unternehmen, Staat, privater Haushalt) auf ein anderes übergehen. Ziel ist es, die wesentlichen Beziehungen einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft vereinfacht zu erfassen und übersichtlich darzustellen. Es wird zwischen Güter- und Geldströmen unterschieden, die entgegengesetzt verlaufen, da Güter mit Geld bezahlt werden.
Aus Vereinfachungsgründen werden im Wirtschaftskreislauf lediglich die Geldströme betrachtet. Für den geschlossenen Kreislauf gilt, dass sich in jedem Sektor die Summe aller zu- und abfließenden Ströme entspricht. So beziehen die privaten Haushalte beispielsweise für ihre geleistete Arbeit (Güterstrom) ein Einkommen (Geldstrom), das sie entweder ausgeben (Konsum) oder sparen. Vereinfacht sammeln Banken dieses Geld und stellen es den Unternehmen für Investitionen in Form von Krediten zur Verfügung. An den Staat fließen direkte Steuern (zum Beispiel Lohn- und Einkommensteuer) von den privaten Haushalten und indirekte und direkte Steuern von den Unternehmen (zum Beispiel Umsatzsteuer oder Gewerbesteuer). Andererseits erhalten private Haushalte und Unternehmen Transferzahlungen vom Staat (zum Beispiel Kindergeld, Wohngeld, Subventionen). Der Staat tritt aber auch als Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen bei Unternehmen auf (Staatsnachfrage). Wird zusätzlich das Ausland berücksichtigt, das heißt Geldabflüsse für erhaltene Importe und Geldzuflüsse für geleistete Exporte, so wird aus dem geschlossenen Wirtschaftskreislauf ein offener Wirtschaftskreislauf.
Was sind Genossenschaften?
Die Abkürzung eG steht für die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft. Die rechtlichen Grundlagen regelt das Genossenschaftsgesetz. Heute sind mindestens drei Gründer dafür notwendig, außerdem eine Gewerbeanmeldung, eine Satzung und ein Eintrag ins Genossenschaftsregister. Doch hinter einer Genossenschaft steckt viel mehr: die Idee, gemeinsam seine Ziele zu erreichen. Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung sind die Grundsätze, auf die sich Genossenschaften auch heute noch berufen.
Seit mehr als 150 Jahren gibt es Genossenschaften. Deren Entstehung geht auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch zurück. Ungefähr zeitgleich, aber unabhängig voneinander, verfolgten beide Mitte des 19. Jahrhunderts die Idee der Selbsthilfe. Zum Beispiel hatten Bauern und Handwerker oft keinen Zugang zu Banken. Also gründeten sie auf genossenschaftlicher Basis ihre eigene Bank, etwa 1864 die erste ländliche Darlehnskasse (Raiffeisen). Auch Schulze-Delitzsch trieb Kreditvereine voran. Auf beide Ursprünge gehen die heutigen Volks- und Raiffeisenbank zurück. 1889 trat das erste Genossenschaftsgesetz in Kraft.
Heute gibt es 228 Genossenschaften im Gebiet der IHK Hannover, knapp 8000 sind es bundesweit. Unternehmen schließen sich beispielsweise zu Einkaufsgenossenschaft zusammen, um über Mengenvorteile bessere Konditionen zu bekommen. Egal ob Wohnungsgenossenschaft, gewerbliche Genossenschaft oder Genossenschaftsbank: Die Mitglieder einer Genossenschaft sind immer Kunde und Miteigentümer zugleich. Und im Gegensatz zu einer AG gilt: Bei Abstimmungen hat jedes Mitglied eine Stimme.
Internationale Arbeitsteilung
Viele Unternehmen verlagern Produktionsschritte in Länder, die kostengünstiger produzieren können. Warum diese internationale Arbeitsteilung sinnvoll sein kann.
Turnschuhe eines deutschen Sportschuhherstellers werden in China gefertigt, das Design kommt aus Deutschland. Und in dem Auto, das in Wolfsburg, Ingolstadt, München oder Sindelfingen vom Band läuft, stecken Teile, die zuvor importiert wurden. Kleidung kommt aus Bangladesch, China oder der Türkei.
Der Grund dafür: die komplette Herstellung in Deutschland wäre zu teuer. In der Industrie, die besonders stark im internationalen Wettbewerb steht, kostete im Jahr 2014 eine Arbeitsstunde durchschnittlich 37 Euro und lag damit 46 Prozent über dem EU-Durchschnitt von 25,30 Euro. In der Slowakei betrugen die Kosten für eine Arbeitsstunde 9,80 Euro, in Bulgarien 3,20 Euro.
Internationale Arbeitsteilung lautetdie volkswirtschaftliche Bezeichnung für die die Verlagerung von Produktionsschritten in Länder, die kostengünstigster produzieren können. Ins (kostengünstigere) Ausland verlagerte Arbeitsplätze zurückholen zu wollen, eignet sich höchstens als Wahlversprechen. Ein Auto beispielsweise, dessen Einzelteile alle in Deutschland gefertigt werden würden, würde teuer werden. Käufer würden auf andere, günstigere Modelle ausweichen. Der Hersteller würde weniger verkaufen, weniger bis keinen Gewinn mehr machen und anfangen, Arbeitskräfte zu entlassen. Handys, Computer, Fernseher wären nicht so erschwinglich und auch nicht in der Auswahl erhältlich, wie sie es heute sind. Freihandel und internationale Arbeitsteilung können zu mehr Wohlstand führen. Der Abbau von Handelshemmnissen wie Zöllen oder Quoten im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) und die Ausweitung von Freihandelsabkommen haben den freien Handel und die internationale Arbeitsteilung beschleunigt. Ist freier Handel wünschenswert, wenn man an die im Vergleich zu Industrieländern niedrigen Löhne in Schwellen- und Entwicklungsländer denkt? Der Maßstab muss sein, ob es den Menschen in dem Land schlechter geht, als wenn sich das Land dem freien Handel verschließen und auf Exporte verzichten würde.
Wie funktioniert die gesetzliche Rentenversicherung?
Der gesetzlichen Rentenversicherung liegt der sogenannte Generationenvertrag zugrunde. Sie funktioniert nach dem Umlageverfahren. Aber was heißt das eigentlich? Wie funktioniert die gesetzliche Rentenversicherung?
Man darf sich die gesetzliche Rentenversicherung nicht wie einen Sparvertrag im herkömmlichen Sinne vorstellen, bei dem man Beiträge einzahlt, die dann angelegt und zu einem späteren Zeitpunkt verzinst ausgezahlt werden. Es ist vielmehr so, dass man für seine gezahlten Beiträge innerhalb eines Kalenderjahres Entgeltpunkte auf seinem Rentenkonto gutgeschrieben bekommt. Die einzahlten Beiträge der jetzt erwerbstätigen Generation werden sofort dafür verwendet, die Rentenzahlungen der aktuellen Rentner-Generation zu finanzieren. Es wird also im Vergleich zu privaten Sparverträgen kein Kapital angelegt, d. h. kein Kapitalstock aufgebaut.
Das Umlageverfahren gerät aufgrund des demografischen Wandels von zwei Seiten immer stärker unter Druck. Einerseits werden im Vergleich zu früher immer weniger Kinder geboren, andererseits steigt die Lebenserwartung kontinuierlich. Immer weniger Beitragszahler müssen also immer längere Rentenbezugszeiten finanzieren. Folglich müssen entweder die zu zahlenden Beiträge zur Rentenversicherung erhöht werden oder das Rentenniveau muss sinken. In der Realität werden beide Möglichkeiten kombiniert. Nach Berechnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden die Beitragssätze voraussichtlich bis 2029 von heute 18,7 Prozent auf knapp 22 Prozent steigen, während das Rentenniveau vor Steuern von 48,1 auf 44,6 Prozent sinken wird. Letzteres hängt mit der Rentenanpassungsformel zusammen. Die Rentenentwicklung ist zwar an den Anstieg der Arbeitsentgelte gekoppelt, so dass auch die Generation im Ruhestand von einem steigenden Wohlstand profitiert, durch den eingebauten sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor fällt der Anstieg bei den Renten aber geringer aus als bei den Erwerbseinkommen.
Berechnung der Rentenhöhe
Wer in einem Jahr genau das Durchschnittseinkommen aller GRV-Versicherten verdient hat, erhält für seine Beiträge genau 1,0 Entgeltpunkte (EP). Für 2015 werden 34 999 Euro zugrunde gelegt, das heißt für einen Arbeitnehmer, der 2015 40 000 Euro verdient hat, dass er dafür 1,143 EP erhält. Ein EP entspricht momentan für einen West-Rentner 29,21 Euro/Monat. Die Bewertung erfolgt jährlich gemäß der Rentenanpassungsformel.
Für bestimmte Fälle gelten Sonderregelungen, bspw. für Kindererziehungszeiten oder für Wehr- und Zivildienstzeiten.
Die Rentenhöhe bemisst sich beim Altersrentenbeginn anhand der im gesamten Erwerbsleben erworbenen Entgeltpunkte, des Zugangsfaktors und der aktuellen Bewertung eines Entgeltpunktes. Der Zugangsfaktor entspricht 1,0 (=100 Prozent), wenn der Neurentner genau bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (momentan: 65 Jahre + 5 Monate) gearbeitet hat. Für jeden Monat vorzeitigen Rentenbezug reduziert sich der Wert um 0,3 Prozent bzw. erhöht sich um 0,5 Prozent für jeden Monat verspäteten Rentenbeginns. Eine Ausnahme stellt die sogenannte „Rente mit 63“ dar, bei der der Rentner auch vorzeitig ohne Abschläge seine Rente beziehen kann.
Beispiel Ein Angestellter hat während seines Erwerbslebens insgesamt 50 Entgeltpunkte durch seine Beitragszahlungen erworben. In den ersten Berufsjahren hat sein Verdienst zwar unter dem Durchschnittseinkommen gelegen, so dass er in diesen Jahren weniger als einen EP pro Jahr sammeln konnte, in den letzten Jahren aber deutlich darüber. Um keine Rentenabschläge zu erhalten arbeitet der Angestellte bis zur Regelaltersgrenze. Seine Bruttomonatsrente beträgt in diesem Fall 1460,50 Euro vor Steuern und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Für das Jahr 2016 wurde bereits eine deutliche Rentenerhöhung angekündigt. Voraussichtlich wird die Bewertung für einen Entgeltpunkt im Westen ab Juli 2016 von 29,21 auf 30,48 Euro ansteigen. Dies hätte zur Folge, dass sich die Rente unseres Beispielsrentners auf 1524,00 Euro erhöhen würde.
Das Sozialversicherungssystem - was steckt dahinter?
Grundsätzlich besteht für Angestellte und Arbeiter, die über 450 Euro im Monat verdienen, eine Sozialversicherungspflicht. Diese gilt jedoch nicht für Beamte und bestimmte Berufsgruppen mit separaten Versorgungswerken. Insgesamt sind aber nahezu 90 Prozent der Bevölkerung in der Sozialversicherung versichert. Die Beiträge (siehe Tabelle) werden als prozentuale Anteile am Arbeitnehmerentgelt gesetzlich festgelegt und zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer gezahlt. Seit 2015 dürfen die gesetzlichen Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben, die vollständig von den Arbeitnehmern zu tragen sind. Bei Auszubildenden mit einer Ausbildungsvergütung von unter 325 Euro im Monat trägt der Arbeitgeber die gesamten Sozialbeiträge.
Das Sozialversicherungssystem dient der Absicherung der Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen. Es funktioniert nach dem Solidaritätsprinzip, das heißt die zu versichernden Risiken (Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit etc.) werden von allen Versicherten gemeinsam getragen. Auf diese Weise wird ein gewisser Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, zwischen Jung und Alt, zwischen Familien und Singles und zwischen Gering- und Besserverdienern geschaffen.
Das Sozialversicherungssystem wird von fünf Säulen getragen:
Die gesetzliche Rentenversicherung umfasst zwei zentrale Bereiche. Zum einen die Zahlung von Alters-, Erwerbsunfähigkeits- und Witwenrenten, zum anderen die Rehabilitation kranker und behinderter Menschen, um deren Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen. Anders als beispielsweise in der gesetzlichen Krankenversicherung gilt das Äquivalenzprinzip, das heißt der Leistungsumfang ist abhängig von den eingezahlten Beiträgen.
Die gesetzliche Arbeitslosenversicherung umfasst beispielsweise die Zahlung von Arbeitslosen-, Insolvenz- oder Kurzarbeitergeld, aber auch Eingliederungszuschüsse oder Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung schwerbehinderter Menschen für Arbeitgeber.
Die gesetzliche Krankenversicherung sichert ihre Mitglieder für den Krankheitsfall ab. Sie kommt aber nicht nur für die notwendige medizinische Hilfe im Falle einer Krankheit auf oder zahlt Krankengeld nachdem der Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung mehr leisten muss, sondern deckt auch Leistungen wie beispielsweise Schutzimpfungen, Krebsvorsorge oder Vorsorgeuntersuchungen von Kindern ab.
Die gesetzliche Pflegeversicherung bietet eine Absicherung gegen die finanziellen Folgen der Pflegebedürftigkeit. Es handelt sich dabei um eine Art soziale Grundsicherung, nicht um eine Vollversicherung. Die Zahlungen erfolgen in Abhängigkeit der jeweils festgelegten Pflegestufe.
Die gesetzliche Unfallversicherung steht Arbeitgebern in Fragen der Sicherheit und Gesundheit beratend zur Verfügung, um Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren mit allen geeigneten Mitteln zu verhüten. Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten hat sie die Aufgabe, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit wieder herzustellen und die Versicherten oder deren Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.
Forschen gegen Armut und Ungleichheit
Am 14. Oktober wurde Angus Deaton „Für seine Analyse von Konsum, Armut und Wohlfahrt“ von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Der gebürtige Schotte lehrt in den Vereinigten Staaten an der Princton University. Für eine Wirtschaftspolitik, die Wohlfahrt steigern und Armut bekämpfen soll, muss bekannt sein, wie Einzelpersonen Konsumentscheidungen treffen. Wenn die Politik also überlegt, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu erhöhen, ist es wichtig, die Auswirkungen einer solchen Entscheidung zu kennen: etwa welche Bevölkerungsgruppe davon besonders betroffen sein wird oder davon profitiert. Deatons Forschungsergebnisse haben maßgeblich dazu beigetragen, die individuellen Konsumentenentscheidungen zu verstehen. Außerdem beschäftigt er sich damit, wie Armut besser gemessen und dargestellt werden kann und wie Armuts- bzw. Wohlstandsniveaus bestimmt und über einen Zeitraum bzw. zwischen verschiedenen Ländern verglichen werden können. Grundlage sind individuelle Haushaltsdaten. Aus seinen Ergebnissen lassen sich Maßnahmen zur Verbesserung der Entwicklungspolitik ableiten. So hat er den Zusammenhang zwischen Einkommen und Kalorienzufuhr untersucht. Mangelernährung ist die Konsequenz niedrigen Einkommens und nicht umgekehrt. Die Jury hob die Brücke hervor, die er mit seiner Arbeit zwischen der Theorie und der Empirie (das heißt der Untersuchung von Datenmaterial) geschlagen hat sowie der praktische Nutzen seiner Forschung. Deaton ist außerdem auf dem Feld der sogenannten „Glücksökonomie“ unterwegs. Die meisten Preisträger sind US-Amerikaner. Als einziger deutscher Ökonom erhielt Reinhard Selten den Wirtschaftsnobelpreis 1994 gemeinsam mit John Harsanyi und John Nash für deren Forschungen zur Spieltheorie. nobelprize.org
Was verbirgt sich hinter „kalter Progression“ und „Mittelstandsbauch“?
Die beiden Begriffe sind eng miteinander verbunden. Beide beschreiben Phänomene des deutschen Einkommensteuer-Tarifsystems, von denen insbesondere kleinere und mittlere Einkommen negativ betroffen sind.
Anders als viele Steuerzahler glauben, wird ihr gesamtes Einkommen nicht mit einem einheitlichen Steuersatz besteuert. Alle Steuerzahler, Geringverdiener und Einkommens-Millionäre, erhalten einen Grundfreibetrag von 8472 Euro, der ein steuerfreies Existenzminimum sichert. Erst ab dem 8473. Euro müssen 14 Prozent Steuern bezahlt werden. Mit jedem zusätzlich verdienten Euro steigt der Steuersatz bis auf 42 Prozent bei 52 881 Euro an. Erst bei 250 730 Euro gibt es eine weitere Stufe von 3 Prozent, so dass ab dem 250 731. Euro 45 Prozent Steuer gezahlt werden müssen. Weil sich der Steuertarif immer auf den letzten Euro bezieht, spricht man von Grenzsteuersatz.
Kalte Progression Die kalte Progression wirkt bei Lohnerhöhungen wie eine heimliche Steuererhöhung. Steigen die (nominalen) Löhne und Gehälter, steigt aufgrund des progressiven Einkommensteuertarifs die Steuerbelastung überproportional an. Dies führt dazu, dass die Steuerzahler einen zunehmenden Anteil ihres Einkommens als Steuer an den Staat abführen müssen. Besonders problematisch ist dies bei Lohnerhöhungen, die nicht oberhalb der allgemeinen Preissteigerung (Inflation) liegen. Steigen beispielsweise die Preise und die Brutto-Einkommen um 2 Prozent, können die Einkommensbezieher trotzdem weniger kaufen als zuvor, da die Steuerlast aufgrund der Progression des Steuertarifs um über 2 Prozent angestiegen ist. Das reale Netto-Einkommen ist also gesunken. Mittelstandsbauch Der Mittelstandsbauch entsteht, weil der progressive Steuertarif zwischen 14 und 42 Prozent nicht gleichmäßig ansteigt, sondern der Grenzsteuersatz mit steigendem Einkommen zunächst sehr steil von 14 auf 24 Prozent steigt (1. Progressionsstufe). Dann folgt ein Tarifknick und im Anschluss steigt der Grenzsteuersatz wesentlich flacher von 24 auf 42 Prozent (2. Progressionsstufe). Die Folge ist, dass gerade kleinere und mittlere Einkommen bei Lohnerhöhungen stärker belastet werden. Die kalte Progression wird in ihrer negativen Wirkung auf die realen Einkommen durch den Mittelstandsbauch zusätzlich verstärkt.
Staatsverschuldung - wie hoch ist zu hoch?
Ob „schwarze Null“ oder Beinahe-Staatsbankrott – das Thema Staatsverschuldung ist durch Griechenlands Zahlungsschwierigkeiten im Sommer diesen Jahres präsenter denn je. Die absolute Schuldenhöhe ist wenig aussagekräftig. Deshalb betrachtet man die Staatsschulden in Relation zur Wirtschaftskraft. Das ist die sogenannte Schuldenstandsquote.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich 1992 im Vertrag von Maastricht unter anderem darauf geeinigt, dass die Schuldenstandsquote nicht höher als 60 Prozent sein und das jährliche Haushaltsdefizit nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen darf. Diese beiden Schwellenwerte gehören zu den sogenannten Maastricht-Kriterien. Die Einhaltung der Kriterien soll für eine Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse und wirtschaftliche Stabilität in der EU sorgen. Die Grafik zeigt, dass die Staatsverschuldung in vielen EU-Ländern darüber liegt, auch in Deutschland.
Staatsverschuldung ist nicht automatisch ein Problem. Aber auch hier gilt wie bei vielen anderen Dingen: „Die Dosis macht das Gift“. Ein gewisses Maß an Verschuldung kann durchaus wünschenswert sein. Der Staat kann so langfristige Projekte realisieren. Wer den Hauskauf über einen Bankkredit finanziert, macht das Gleiche. Bürger haben die Möglichkeit, ihr Geld beim Staat anzulegen. Problematisch wird es allerdings, wenn die Schuldenlast zu hoch wird und fällige Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden können. Beispielsweise wenn ein Staat dauerhaft über seine Verhältnisse lebt und/oder die Einnahmen aufgrund einer Wirtschaftskrise wegbrechen. Problematisch wird es auch, wenn die Staatseinnahmen zur Schuldentilgung verwendet werden müssen und Wachstumsinvestitionen auf unbestimmte Zeit aufgeschoben werden. Und genauso problematisch ist es, wenn nachfolgende Generationen durch übermäßige Schulden belastet werden.
Griechenlands Schuldenstandsquote lag zum Beispiel 2014 bei 177 Prozent. Dass die Höhe, ab wann die Staatsverschuldung zum echten Problem wird, individuell ist, zeigt das Beispiel Japan: Dort liegt die Staatsschuldenquote seit 2009 bei über 200 Prozent.
Was verbirgt sich hinter dem Mindestlohn?
Seit Jahresbeginn gibt es ihn auch in Deutschland, den einheitlichen, flächendeckenden Mindestlohn. Aber was verbirgt sich dahinter? Wie wirkt ein Mindestlohn in der Theorie? Welche Auswirkungen sind in der Praxis festzustellen? Und was ist damit ansonsten verbunden?
Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein einheitlicher Mindestlohn, d.h. generell steht allen Beschäftigten ein Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro zu. Es gibt aber Ausnahmen, beispielsweise gilt der Mindestlohn nicht für Auszubildende oder im Rahmen von Pflichtpraktika. Für bestimmte Berufe (Friseure, Gartenbauer etc.) gibt es noch eine Übergangszeit, daher sind in einigen Bereichen bis zum 31. Dezember 2017 noch „Branchen-Mindestlöhne“ unter 8,50 Euro möglich.
Wie wirkt sich der Mindestlohn auf den Arbeitsmarkt aus? Der Staat hat mit dem Mindestlohn eine Lohnuntergrenze festgelegt, d.h. oberhalb dieser Grenze können sich die Löhne frei bilden, nach unten gilt aber der Mindestlohn. In der (neoklassischen) Theorie stellt man den Arbeitsmarkt gern vereinfachend durch zwei Kurven dar. Das Arbeitsangebot der Arbeitskräfte steigt mit steigendem Reallohn, dargestellt durch die Arbeitsangebotskurve (AA). Die Arbeitsnachfrage der Unternehmen (AN) sinkt hingegen mit steigendem Reallohn. Der Schnittpunkt beider Kurven ist der Gleichgewichts- bzw. Wettbewerbslohn. Liegt der Mindestlohn unterhalb des Gleichgewichtslohnes (LM1), so hat er keine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Wird der Mindestlohn (LM2) aber höher festgesetzt, d.h. oberhalb des Gleichgewichtlohnes, ist es für einige Unternehmen nicht mehr rentabel für diesen Lohn Arbeitskräfte zu beschäftigen – es resultiert Arbeitslosigkeit (ALO).
In der Praxis zeigt sich, dass die gewählte Höhe von 8,50 Euro, den Arbeitsmarkt in den westlichen Bundesländern kaum beeinflusst, da dort bereits vor Einführung des Mindestlohnes die große Mehrheit der Beschäftigten über Mindestlohnniveau verdiente. Die östlichen Bundesländer haben dagegen teils deutlich mit den Auswirkungen zu kämpfen, da dort viele Beschäftigte zuvor unter 8,50 Euro verdienten.
Unabhängig von der eigentlichen Höhe, belasten eher die Begleiterscheinungen des Mindestlohns sehr viele Unternehmen. Dazu zählen insbesondere die umfangreichen Dokumentationspflichten, rechtliche Unsicherheiten bei der Vergabe und Annahme von Aufträgen sowie die Art und Weise der Kontrollen durch den Zoll.
Was versteht man unter Investitionsschwäche?
Voraussetzung für gute Lebensbedingungen und eine wachsende Wirtschaft sind vor allem eine gut ausgebaute Infrastruktur und gut ausgestattete, wettbewerbsfähige Unternehmen. Dies erfordert Investitionen in vielen Bereichen, wie beispielsweise in Straßen und Schienen, das Energie- und Breitbandnetz oder in Schulen und Universitäten. Darüber hinaus ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen in Forschung und Entwicklung investieren, um moderne Fertigungstechnologien oder Produktinnovationen zu entwickeln, damit sie ihre (internationale) Wettbewerbsfähigkeit erhalten bzw. weiter verbessern können.
Wenn über einen längeren Zeitraum zu wenig investiert wird, sinkt die Leistungsfähigkeit. Dies gilt sowohl für die öffentliche Infrastruktur als auch für Unternehmen. Natürlich werden Straßen oder Brücken nicht von einen Tag auf den anderen unbrauchbar, sie können aber eventuell nicht mehr so stark belastet werden. Genauso verschwinden Unternehmen nicht von jetzt auf gleich vom Markt, aber möglicherweise können Wettbewerber auf einmal viel günstiger produzieren oder bringen deutlich bessere Produkte auf den Markt und verdrängen so das Unternehmen nach und nach vom Markt.
Doch wie viel muss in einer Volkswirtschaft investiert werden? Auf diese Frage gibt es keine allgemeingültige Antwort. Vergleicht man aber die Investitionen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland (2013: 17,2 %) mit anderen Industrieländern, dann ist festzustellen, dass die Investitionen in Deutschland seit Jahren geringer ausfallen und bis heute das Vorkrisenniveau nicht wieder erreicht haben. Um ähnlich hohe Quoten wie die Vereinigten Staaten (18,9 %) oder Österreich (21,2 %) zu erreichen, müssten in Deutschland jährlich 47 bzw. 110 Mrd. Euro zusätzlich in öffentliche und private Investitionen fließen. Bei einer anhaltenden Investitionsschwäche läuft Deutschland Gefahr, seine gute Position im internationalen Vergleich zu verspielen und langfristig den Anschluss zu verlieren. Betrachtet man allein die letzten Jahre, besteht bereits jetzt ein erheblicher Aufholbedarf.
Was verbirgt sich hinter Investitionen?
Während private Haushalte lediglich konsumieren, können der Staat und Unternehmen investieren, beispielsweise in Straßen, Maschinen, Software oder Lizenzen. Es können also Investitionen in materielle und immaterielle Güter vorgenommen werden.
Generell kann, je nach Zweck, zwischen drei Investitionsarten unterschieden werden: Bei Ersatzinvestitionen werden kaputte Anlagen ersetzt. Werden veraltete Maschinen oder Computer ausgetauscht, spricht man von Modernisierungs- oder Rationalisierungsinvestitionen. Vergrößert ein Unternehmen seine Produktionskapazität, indem zum Beispiel eine zusätzliche Fertigungsstraße angeschafft wird, handelt es sich um Erweiterungsinvestitionen.Darüber hinaus kann man zwischen Bruttoinvestitionen, die die gesamten Investitionskosten umfassen, und den Nettoinvestitionen unterscheiden, die sich aus den Bruttoinvestitionen abzüglich der Abschreibungen ergeben. Unternehmen werden eine Investition aber nur tätigen, wenn sich diese rentiert, das heißt wenn die zu erwartenden Erträge höher sind als die entstehenden Kosten.
Auch volkswirtschaftlich sind Investitionen von großer Bedeutung, da sie ein wichtiger Bestandteil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sind und den Konjunkturverlauf entscheidend mitbestimmen. Je mehr Investitionsgüter nachfragt werden, umso mehr wird produziert und desto stärker wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Investitionen werden daher auch gerne ins Verhältnis zum BIP gesetzt. Die Nettoinvestitionen vergrößern darüber hinaus den Kapitalstock und die Produktionskapazitäten und schaffen so die Basis für zukünftiges Wirtschaftswachstum.
Was ist Deflation?
Deflation bedeutet, dass das Preisniveau einer Volkswirtschaft sinkt, und zwar auf breiter Front und anhaltend: „Alles wird billiger“. Sozusagen das Gegenteil von Inflation. Das hört sich zunächst gut an. Bedeutet es doch erst einmal, dass dem Verbraucher mehr Kaufkraft zur Verfügung steht. Geld gewinnt an Wert und die Kaufkraft steigt. Wenn für Nahrungsmittel, Kraftstoffe oder Heizöl weniger ausgegeben werden muss, bleibt mehr Geld für andere Dinge, zum Beispiel für das neue Handy, übrig. Preise können aufgrund starken Wettbewerbs, höherer Produktivität oder technischen Fortschritts zurückgehen. Diese angebotsseitigen Preisrückgänge sind positiv.
So erstrebenswert fallende Preise für den einzelnen Konsumenten auf den ersten Blick scheinen, volkswirtschaftlich gesehen ist Deflation keineswegs wünschenswert oder positiv. Negativ wirken sich fallende Preise dann aus, wenn Verbraucher weitere Preissenkungen erwarten und ihre Käufe in die Zukunft verschieben. Sie gehen davon aus, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt günstiger einkaufen können. Unternehmen verkaufen so weniger Waren. Sie machen deshalb weniger Gewinne oder sogar Verluste. Gegebenenfalls kürzen sie die Löhne ihrer Beschäftigten oder müssen sogar Personal entlassen. Die Arbeitslosigkeit steigt an, die Menschen konsumieren weniger, die Unternehmen verkaufen weniger…. Eine Negativspirale, die sogenannte Deflationsspirale, setzt sich in Gang. Die Steuereinnahmen des Staates gehen zurück, während gleichzeitig die Ausgaben für Sozialleistungen, zum Beispiel Arbeitslosengeld, steigen. Außerdem kann es sein, dass Banken weniger Unternehmenskredite vergeben, weil sie fürchten, dass diese nicht mehr zurückbezahlt werden können. Mit der Konsequenz, dass weniger investiert wird.
Im Januar 2015 war in Deutschland erstmals seit Juli 2009 die Teuerungsrate wieder negativ (- 0,4 Prozent). Führende Ökonomen sind sich aber einig, dass das keine Deflation ist. Der Preisrückgang ist auf die niedrigen Energiekosten zurückzuführen. Ohne deren Berücksichtigung hätte die Inflationsrate 0,8 Prozent betragen. In den vergangenen 100 Jahren hat es glücklicherweise nur wenige Deflationen gegeben. Neben der Deflation in der Weltwirtschaftskrise 1930, von der auch Deutschland betroffen war, ist die Deflation in Japan in den 1990er Jahren ein prominentes Beispiel.
Preise können sich in einer Marktwirtschaft jederzeit ändern, manche Preise steigen, andere Preise fallen. Wenn Preise langanhaltend und auf breiter Front steigen, dann wird das als Inflation bezeichnet. Die Kaufkraft des Geldes sinkt, für den gleichen Betrag kann weniger gekauft werden.
Das Statistische Bundesamt ermittelt die Inflation jeden Monat anhand eines repräsentativen Warenkorbs, der etwa 700 Güter umfasst. Die Veränderung der Preise des Warenkorbs gegenüber dem Vorjahresmonat bzw. Vorjahr wird als Inflationsrate bezeichnet. 2014 lag die Inflationsrate bei 0,9 Prozent. In den vergangenen 20 Jahren betrug sie im Durchschnitt 1,7 Prozent.
Nicht immer waren die Preissteigerungen so niedrig. Während der Hyperinflation 1922/23 stiegen die Preise innerhalb kürzester Zeit immer schneller, bis im November 1923 ein Brot mehr als 5 Mio. Mark kostete. Aus dieser historischen Erfahrung rührt sicherlich die Inflationsangst der Deutschen. Inflation ist durchaus sinnvoll und nützlich – solange sie moderat ist. Deshalb spricht man auch von Preisstabilität, wenn die Inflationsrate unter, aber nahe der 2 Prozent-Marke liegt. Eine Preisveränderung zeigt an, ob Güter oder Dienstleistungen stark nachgefragt werden. Wenn das Angebot eines Gutes knapp und die Nachfrage danach groß ist, dann steigt sein Preis. Dies signalisiert den Unternehmen, dass es sich lohnt, mehr von diesem Gut anzubieten.
Verbraucherpreisindex und Inflationsrate anschaulich als Video: