Hat ein Anspruchsberechtigter einen gerichtlichen Unterlassungstitel erlangt, muss im Fall eines erneuten Wettbewerbsverstoßes ein Ordnungsgeldantrag bei Gericht gestellt werden. Eine alternative außergerichtliche Zahlungsaufforderung ist rechtsmissbräuchlich (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 17.12.2020 - 5 W 1038/20).
In dem zugrundeliegenden Fall hatte sich ein Unterlassungsgläubiger dagegen gewandt, dass das Gericht der Ausgangsinstanz es abgelehnt hatte, ein Ordnungsmittel gegen den Schuldner wegen eines erneuten Verstoßes gegen einen gerichtlichen Unterlassungstitel zu verhängen. Das Kammergericht hat jedoch die Ausgangsentscheidung des Landgerichts bestätigt: Ein Ordnungsmittelantrag nach § 890 ZPO kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn damit Befugnisse ausgeübt werden, die nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dienen. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch für die Ausübung prozessualer Befugnisse, wie im Vollstreckungsverfahren.
Einen Rechtsmissbrauch sah das Gericht darin, dass der Gläubiger bereits vor der Einreichung des Ordnungsgeldantrags der Schuldnerin mit Anwaltsschreiben Gelegenheit gegeben hatte, einen Betrag von 1.500 Euro zu zahlen und im Gegenzug angeboten hatte, auf das gerichtliche Ordnungsgeldverfahren zu verzichten. Der Gläubiger hat dabei, wie die Beschwerde betont, einen „deutlich niedrigeren Betrag gefordert als in einem Ordnungsgeldverfahren ausgeurteilt worden wäre.“ Daraus hat das Gericht gefolgert, dass es dem Gläubiger vorrangig nicht um die nachhaltige Unterbindung weiterer Verstöße, sondern die Erzielung eigener Einnahmen ging. Denn gerichtliche Ordnungsmittel werden im Rahmen des Erforderlichen verhängt, um weitere Verstöße zu unterbinden; eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen. Der Gläubiger war also bereit, die Sanktion für die Schuldnerin „deutlich niedriger“ als zur Unterbindung weiterer Wettbewerbsverstöße ausfallen zu lassen. Die Gefahr weiterer Verstöße wurde dadurch also „deutlich“ erhöht, und zwar um der pekuniären Interessen des Gläubigers willen. Damit dient die Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht dem gesetzlich vorgesehenen Zweck (Durchsetzung des Unterlassungstitels), sondern - mittels Aufbau weiteren Drucks bzw. auch „generalpräventiv“ - anderen und rechtlich zu missbilligenden Zwecken, nämlich letztlich einer Bereicherung des Gläubigers.
Der Gläubiger konnte sich auch nicht darauf berufen, dass er in dem Schreiben wegen des hier in Rede stehenden Titelverstoßes eine (vertragsstrafbewehrte) Unterlassungserklärung von dem Schuldner forderte. Auch darin sah das Gericht ein Indiz für den Rechtsmissbrauch. Denn eine solche Unterlassungserklärung stand dem Gläubiger - auch bei erneutem Verstoß - nicht zu, da er schon über einen rechtskräftigen Unterlassungstitel verfügte. Auch dieses Ansinnen unterstreicht also, dass es dem Gläubiger hier weniger um die Unterbindung weiterer Verstöße, sondern um die Generierung (künftiger) Geldforderungen zu seinen Gunsten im Fall weitere Wettbewerbsverstöße ging.
Hinsichtlich des geltend gemachten Betrags von 1.500 Euro war auch nicht ersichtlich, dass diese Kosten aus einem anderen Grund entstanden und erstattungsfähig waren, jedenfalls auch nicht in besagter Höhe.
Dem Kammergericht war aus weiteren Verfahren bekannt, dass der Gläubiger auch anderen Titelschuldnern in einer Vielzahl von Fällen entsprechende Zahlungsangebote machte. Da in dem Schreiben bei Fruchtlosigkeit ein Ordnungsmittelantrag „beim Landgericht Frankfurt“, also bei einem örtlich nicht zuständigen Gericht angedroht wurde, lag für das Kammergericht zudem der Gedanke nahe, dass der Gläubiger systematisch Schuldnerverstöße deshalb feststellen lässt, um sich die Einleitung diesbezüglicher Ordnungsmittelverfahren ebenso systematisch abkaufen zu lassen und sich auf diese Weise eine kontinuierlich sprudelnde Geldquelle zu eigenem Nutzen zu erschließen.
Praxishinweis:
Der Fall zeigt auf, dass es durchaus sinnvoll sein kann, im Fall berechtigter Zweifel an der Abmahnbefugnis, keine Unterlassungserklärung abzugeben, sondern ein (zunächst) kostspieligeres gerichtliches Verfahren und gerichtliche Untersagung zu riskieren. Bei einem erneuten Verstoß kann dann der Abmahner keine Vertragsstrafe für sich selbst anfordern, sondern muss ein Ordnungsgeld beantragen, das nicht ihm, sondern der Staatskasse zu Gute kommt.
Aber Achtung: Vor Verallgemeinerungen muss gewarnt werden. Die Reaktion auf eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung sollte immer erst nach einer vorherigen Rechtsberatung erfolgen.