Seit drei Jahren sind die USA das wichtigste Abnehmerland für deutsche Waren. Viele Mitgliedsbetriebe der IHK Hannover haben nicht nur eine, sondern zwei oder sogar drei Niederlassungen in den USA. Weil man die USA nämlich schwerlich als einen Auslandsmarkt betrachten kann: Mit fast zehn Millionen Quadratkilometern stellen sie das drittgrößte Land der Welt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind sie die größte Volkswirtschaft der Erde. Und verglichen mit Deutschland leben hier fast vier Mal so viele Menschen: Als Fondsmanager in New York vielleicht. Als Farmer im Mittleren Westen, IT-Spezialist im Silicon Valley oder Autohändler im Süden des Landes. Sie alle sind Amerikaner – haben nicht selten aber wenig miteinander gemein. Und mit einem Marketingleiter aus Springe vermutlich noch weniger.
Die kulturellen Unterschiede innerhalb der USA und vor allem zwischen der deutschen und amerikanischen Arbeitswelt sind tatsächlich alles andere als trivial. Das haben viele Unternehmen insbesondere in dem letzten Jahr gemerkt – als nämlich auf einmal viel über das Telefon, E-Mail oder in Online-Konferenzen geregelt und verhandelt werden musste.
Charmanter Plaudern im Geschäft
Der Konversationsstil der Deutschen stößt in den USA meistenteils auf wenig Gegenliebe. Während man hierzulande gern direkt mit der Tür ins Haus fällt, zeitorientiert und themenfokussiert in das Meeting geht, werden in Amerika erst einmal Höflichkeiten ausgetauscht. Aus Respekt. Small Talk ist so wichtig! Ehrlich – hier wird selbst dann um den Brei herumgeredet, wenn er gar nicht heiß ist. Und so ist es auch einfach nur Ausdruck der typisch amerikanischen höflichen Grundeinstellung vieles und eigentlich alles „nice“ „wonderful“ and „awesome“ zu finden. Das kann der Deutsche übertrieben finden oder nicht – zu einer Geschäfspartnerschaft gehört es auf jeden Fall dazu. Höflichkeitsfloskeln und seichtes Geplänkel tun ja bekanntermaßen auch nicht weh und verbindlich sind sie in den USA übrigens auch nicht: Wie oft erzählen deutsche Unternehmer von geselligen Barbecues im Familienkreis des amerikanischen Geschäftspartners aber anschließenden knallharten Verhandlungsgesprächen, bei denen man überhaupt keinen Konsens fand. Oder von Gesprächen auf Messen, bei denen man sich des Auftrages völlig sicher war, später aber feststellen musste, das der Amerikaner sich noch nicht einmal an den „new friend“ Hans erinnern konnte, als dieser zurück in Deutschland die Lieferkonditionen telefonisch besprechen wollte.
Des einen Vision ist des anderen Kalkulation
Besprechen ist übrigens ein gutes Stichwort für einen weiteren wesentlichen Unterschied zwischen der deutschen und amerikanischen Geschäftskultur. Deutsche bereiten sich meist gut vor. Zu gut für den Geschmack vieler Amerikaner, die sich oft ein bisschen mehr Cowboy-Mentalität, also mehr Risikobereitschaft von ihren deutschen Partnern erhoffen würden: In den USA arbeitet man mit Visionen. Hat man eine, legt man los und schaut unterwegs was passiert. Mal eine Kurve rechts, mal eine Wende links. Sackgasse? Dann zurück und anders. „Failure is a stepping stone to success“– ein Weisheit, die Jan Doe lebt. Lieschen Müller hingegen scheitert nicht gerne. Sie geht das Projekt auch ganz anders an als ihre US-Kollegin. Does „Vision“ ist für Müller schlicht „Potenzial“. Für das die diversen Kalkulationen sprechen, die sie aufgestellt, eruiert und revidiert hat. Oberziele festgelegt hat. Und Unterziele natürlich ebenso. Die Deadlines hat sie immer eingehalten; die Ergebnisse immer kontrolliert. Gewissenhaft. Ein Fehlschlag war hätte nicht passieren dürfen. - Zugegebenermaßen ist dies Szenario aber überspitzt. Was es aber braucht, um Bewusstsein für die Unterschiede in den Arbeitsweisen zwischen Amerikanern und Deutschen zu schaffen.
„We appreciate your feedback“
Große Unterschiede gibt es übrigens auch in der Feedback-Kultur. Feedback ist den Amerikanern so wichtig wie das tägliche Brot. Alle erwarten es, alle geben es. Im Supermarkt, der Kfz-Werkstatt oder beim Friseur. Für ein Special beim nächsten Einkauf oder dem nächsten Termin. Für ein kollegiales Miteinander im Büro. Oder eine gute Beziehung zum Chef. Vorsicht aber bei negativem Feedback: Amerikaner mögen keine „problems“, reden lieber von „challenges“, notfalls auch von „concerns“. Ein „Nein, das geht so nicht“ wird in den USA nicht gut ankommen, schlimmstenfalls sogar als Affront bewertet werden. Kritik oder Gegenargumente müssen natürlich trotzdem geäußert werden. Können sie auch – nur adäquat verpackt. Wie ein Sandwich, als Käse und Schinken zwischen der oberen und unteren Toasthälfte.
Nun werden Small-Talk-Kniffe, Barbecue-Einladungen, Visionen und Feedback-Methoden den Marketingleiter aus Springe noch nicht in die Sphären des IT-Spezialisten im Silicon Valley oder das Gesprächsfundament des Farmers im Mittleren Westen bringen. Aber helfen werden sie ihm auf jeden Fall dabei die Gefahr von interkulturellen Unterschieden für Misserfolge auf dem US-Markt zu umschiffen.
Online-Workshop Working with Americans
Wann: 19.01., 20.01., 21.01.2021 jeweils von 9.00 Uhr – 11.00 Uhr
Wer: Fach- und Führungskräfte, die mit Kunden und Kollegen in den USA im Kontakt stehen oder in die USA entsandt werden
Kosten: 90 € zzgl. 19 % USt. (107,10 brutto €)
Programm und Anmeldung: IHK-Veranstaltungskalender / INT217