Nach dem Anschlag in Sousse Ende Juni 2015 bemüht sich Tunesien zur Normalität zurückzukehren. Informationen zur Sicherheitslage und eine Einschätzung, warum Geschäftstätigkeiten in der Region nicht gefährdet sind, hat die Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer (AHK) zusammengetragen.
Ausnahmezustand
Der Ausnahmezustand ist ein verfassungsrechtlich vorgesehener Vorgang, der nicht die durch die Verfassung von 2014 eingeführte Demokratie in Frage stellt. Der tunesischen Verfassung zufolge darf der Präsident im Falle von besonderen Herausforderungen und nach Absprache mit dem Regierungschef und dem Präsidenten des Parlaments den Ausnahmezustand ausrufen. Der Ausnahmezustand wird für eine Dauer von einem Monat verhängt und kann nach Bedarf verlängert werden. So wurde Ende Juli eine Verlängerung von zwei weiteren Monaten ausgesprochen. Durch die Verhängung des Ausnahmezustandes werden der Exekutiven und besonders den Sicherheitskräften weitergehende Rechte verliehen. Sie können etwa schärfere Kontrollen durchführen und bestimmte Gebiete für den Personenverkehr absperren. Die Regierung darf Maßnahmen zur Kontrolle der Presse und anderer Veröffentlichungen treffen. Zudem ist jeglicher Streik während dieser Zeit untersagt.
Die oben genannten Maßnahmen werden nicht zwangsläufig bei einem Ausnahmezustand in Kraft gesetzt. So erklärte der tunesische Präsident in seiner Rede zur Verhängung des Ausnahmezustandes, dass diese keinerlei Auswirkungen auf die Rede- und Pressefreiheit haben werde. Dagegen hat die Regierung den Ausnahmezustand genutzt, Streiks, insbesondere in dem für das Land so wichtigen Phosphatsektor, zu beenden.
Eine Ausgangssperre sieht der jetzige Ausnahmezustand nicht vor. Im Großraum Tunis wurden bislang keine Einschränkungen in der persönlichen Bewegungsfreiheit angekündigt. Allerdings ist es den Gouverneuren erlaubt eine Ausgangssperre in ihrer Region zu verhängen, falls sie es für nötig halten.
Die im Sommer üblichen Festivals finden im ganzen Land unter normalen Umständen und ohne jegliche Vorfälle statt. Im Zuge verstärkter Sicherheitsmaßnahmen ist die Polizei an wichtigen Straßenkreuzungen noch präsenter. Es kommt jedoch nicht zu Behinderungen.
Bereits in der politischen Transitionsperiode von Januar 2011 bis März 2014 war in Tunesien der Ausnahmezustand verhängt, der damals zur politischen Stabilität und zur Einführung der Demokratie beitrug.
Die von einer breiten parlamentarischen Mehrheit getragene Regierung bringt ihre Gesetzentwürfe auch in Zeiten des Ausnahmezustandes weiterhin durch das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren, so zum Beispiel die aktuell diskutierten Gesetze zur Investitionsförderung, zum Terrorismus (wurde am 25. Juli verabschiedet und garantiert erhöhte Schutzmaßnahmen für Sicherheitskräfte, eine gerichtliche Aufsicht von Überwachungstätigkeiten und die Gründung einer Anti-Terror Kommission) und zum Nachtrag der Finanzen (wurde am 5. August vom Parlament angenommen und umfasst außerordentliche wirtschaftliche und soziale Maßnahmen um kurzfristig die tunesische Wirtschaft zu fördern und große Reformen im Steuer-, Zoll- und Bankensystem einzuleiten).
Sicherheitslage
Die tunesische Regierung nimmt die terroristische Bedrohung sehr ernst und arbeitet aktiv daran, die Sicherheit zu stärken. Auch sind Sicherheitsexperten aus europäischen Ländern nach Tunesien gekommen, um sich ein Bild von der Sicherheitslage insbesondere in den touristischen Gebieten zu machen, darunter Mitte Juli eine Gruppe deutscher Sicherheitsexperten. Es wurde unter anderem überprüft, ob gegenüber den tunesischen Sicherheitsbehörden Empfehlungen ausgesprochen werden sollen und ob auf deutscher Seite die Reise- und Aufenthaltsempfehlungen für deutsche Staatsbürger geändert werden müssen.
Das Auswärtige Amt hat keine Reisewarnung für Tunesien erteilt. Nach dem Anschlag von Sousse wurden jedoch neue Reisehinweise ausgesprochen, wonach „besondere Vorsicht und Wachsamkeit walten zu lassen“ und bestimmte Gegenden – insbesondere die Grenzgebiete zu Libyen und Algerien – zu meiden sind. Es sind, laut dem Auswärtigen Amt, aktuell „keine Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit zu erwarten, aber die Lage sowie offizielle Ankündigungen sollten aufmerksam verfolgt werden.“ Diese Hinweise sind eine Reaktion auf die aktuelle Sicherheitslage und auf die Verhängung des Ausnahmezustandes. Reise- und Sicherheitshinweise zu Tunesien stellt das Auswärtige Amt tagesaktuell zur Verfügung.
Politische und wirtschaftliche Reisen aus dem Ausland finden weiterhin statt. So war etwa Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen Ende Juli zu Besuch in Tunesien, um mit tunesischen Abgeordneten über die Sicherheitslage zu diskutieren und dem Land konkrete Unterstützung anzubieten. Auch die bayerische Staatsministerin Beate Merk hat am 23. und 24. Juli Tunesien besucht, um sich unter anderem mit dem tunesischen Präsidenten auszutauschen. Anfang Juli reisten Vertreter von IPD (Import Promotion Desk) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Unternehmensvertretern durch ganz Tunesien im Zusammenhang mit der Exportförderung für tunesische Unternehmen.
Die AHK Tunesien hat zudem am 3. August eine Mitgliederveranstaltung mit einem Sicherheitsexperten aus dem Auswärtigen Amt veranstaltet, um Fragen zum Thema Sicherheit in Tunesien zu beantworten.
Erleichterungen für ausländische Reisende
Um den stark angeschlagenen Tourismussektor anzukurbeln, hat die zuständige Ministerin zahlreiche Maßnahmen angekündigt. Eine dieser Maßnahmen ist die Abschaffung der Ausreisegebühr für Touristen und Geschäftsreisende von 30 TDN, die erst im vergangenen Oktober eingeführt wurde.