Katalonien ist wirtschaftlich ein Schwergewicht, das 19 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, ein Viertel der Warenexporte stemmt und im regionalen Finanzausgleich einer der drei Nettozahler ist. Doch hat die Abspaltungspolitik Folgen, da hunderte katalanische Firmen ihren Hauptsitz im Oktober 2017 vorsorglich verlegten. Es profitiert die Region Madrid. Sie hat schon 2016 mit 18,9 Prozent ähnlich viel zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung beigetragen wie Katalonien. Mit großem Abstand ist Katalonien der wichtigste Industriestandort und Exporteur. Der Wert der verkauften Produktion des katalanischen verarbeitenden Gewerbes betrug 2016 rund 85,3 Milliarden Euro. Das ist auf Spanien bezogen fast ein Viertel (23,3 Prozent) und mehr als der Wert der nachfolgenden Industrieregionen Andalusien und Valencia zusammen.
Zwei aktuelle Artikel von Germany Trade & Invest (GTAI) beschreiben die wirtschaftlichen Veränderungen, die die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens bisher bereits nach sich gezogen haben.
Die Exportleistung ist aufgrund einer branchenübergreifenden Ansiedlungskonzentration in Katalonien besonders groß. Von den 148.800 exportierenden Unternehmen, die das spanische Wirtschaftsministerium 2016 zählte, sind ein Drittel katalanische, darunter auch viele dort ansässige Niederlassungen ausländischer Firmen. Nach Frankreich war Deutschland für Katalonien 2016 zweitwichtigster Partner auf der Exportseite. Beim Import steht Deutschland auf Rang eins. Zentraler Handelsraum ist die EU, in die rund 65 Prozent des katalanischen Ausfuhrwerts gehen und von wo 59 Prozent des Einfuhrwerts stammen.
Spanische Unternehmen wandern ab, ausländische warten ab
Bis zum 27. Oktober, Tag der Absetzung des katalanischen Parlaments durch Madrid, hatten über 1.600 vorwiegend katalanische Unternehmen ihren Gesellschafts- und zum Teil ihren Steuersitz bereits in andere Landesteile Spaniens verlegt. Firmen mit ausländischem Hintergrund sind bisher kaum vertreten. Die Wirtschaftsmedien nannten die Versicherungen Axa (Frankreich), Zurich (Schweiz), die Bank Degroof Petercam Spain (Belgien) und zuletzt am 27. Oktober 2017 auch die Allianz (Deutschland). Von weiteren deutschen Investoren, die in Katalonien sehr stark in der Automobil-, Chemie- und Pharmaindustrie engagiert sind, wurde noch nichts bekannt. Sie sind meist schon Jahrzehnte am Standort ansässig, langfristig ausgerichtet und mit ihren Betriebsstätten an den Ort gebunden. Von den 2.020 Filialen deutscher Unternehmen in Spanien haben schätzungsweise über 40 Prozent den Standort in Katalonien.
Mit dem Gesellschaftssitz verändert sich das anwendbare Recht, mit dem Steuersitz die Behörde, die die Steuern erhält. Fast immer fallen beide zusammen. Vor dem Hintergrund der katalanischen Sezessionsbestrebung, Procés genannt, die auch den Aufbau einer eigenen Steuerbehörde umfasste, sorgen die ihren Sitz verlegenden Unternehmen vor und suchen einen verlässlichen Rechtsraum. Die meisten scheint es in die Region Madrid zu ziehen, was diesen Standort weiter stärkt. Ihre Betriebsstätten mit den Arbeitsplätzen bleiben in Katalonien. Körperschafts-, Einkommen- und Umsatzsteuer werden auch am neuen Sitz wie bisher an das spanische Finanzamt abgeführt, der regionale Anteil der Umsatzsteuer aber fließt an den neuen Standort.
Die große Frage ist, wie negativ die Ungewissheit in und um Katalonien die Investitionsentscheidungen von Unternehmen und die Kauflust der Bevölkerung beeinflusst.
IHK-Veranstaltung: Chancen auf der iberischen Halbinsel am 24. November
Am 24. November haben Unternehmen die Möglichkeit sich umfassend über Marktchancen auf der iberischen Halbinsel zu informieren. Dabei werden Experten der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) in Portugal und Spanien die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen erläutern und konkrete Marktchancen für deutsche Unternehmen aufzeigen. Auch rechtliche Rahmenbedingungen mit Fokus auf Gesellschafts-, Vertriebs- und Arbeitsrecht werden thematisiert. Wie Spanien und Portugal als Absatzmarkt strukturiert bearbeitet werden können und welche Instrumente hier unterstützen, runden den Vortragsteil ab. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit terminierte Einzelgespräche mit den Referenten der Veranstaltung zu führen.