Grünes Licht für die Erhebung von Strafzöllen auf amerikanische Produkte hatte die Europäische Union bereits seit Mitte Oktober. Unmittelbar umgesetzt wurde diese Recht jedoch nicht. Das ändert sich. Tomatenketchup, Videospielkonsolen oder Luftfahrzeuge – für die Einfuhr dieser und anderer Produkte aus den USA erhebt die EU ab dem 10. November 2020 Sonderabgaben.
Es ist das jüngste Kapitel im transatlantischen Handelsstreit um Subventionen für die Flugzeughersteller Boeing und Airbus. Dieses Recht auf die neuen Abgaben fußt auf einem Entscheid der Welthandelsorganisation (WT0) vom 26. Oktober, der es der EU zugesteht, Strafzölle auf amerikanische Produkte wegen rechtswidriger Subventionen für den US-Flugzeugbauer Boeing im Umfang von knapp 4 Mrd. Dollar zu erheben.
Ursprünglich sah man von einer unmittelbaren Umsetzung dieser Retourkutsche ab: Man wolle zunächst noch einmal mit der Regierung Trump die Möglichkeiten für eine Einigung in dem jahrelangen transatlantischen Handelsstreit suchen. Dass eine Einigung mit Washington, die im gesamten letzten Jahr erfolglos blieb, auch mit dem aktuellen Urteil der WTO nicht zu erreichen ist, scheint nun jedoch klar. Ungeachtet des Machtwechsels im Weißen Haus hat die EU am Montag Strafzölle beschlossen. Gefrorener Fisch, Erdnüsse, Tomatenketchup, Videospielkonsole, Ackerschlepper oder Reisekoffer – die Einfuhr dieser Produkte in die Europäische Union soll sich für amerikanische Produzenten um 25 Prozent verteuern. Auch für die Einfuhr von Flugzeugen und Luftfahrzeugen gibt es zusätzliche Zölle in Höhe von 15 Prozent.
Tit-for-Tat? Eine Eskalation im Handelskonflikt mit den USA will die Europäische Kommission vermeiden. Allerdings erhebt die USA ihrerseits nun schon seit über einem Jahr Strafzölle auf europäische Produkte wegen unerlaubter Zuschüsse für den Flugzeugbauer Airbus: Flugzeuge, Käse, Kaffee, Bagger, Induktionsöfen, Konfitüren – die Einfuhr dieser und anderer Produkte in die USA ist für europäische Hersteller unlängst teurer geworden. Vielleicht wird man unter dem künftigen US-Präsident Joe Biden eine einvernehmliche Lösung finden – gesprächsbereit ist die EU nach eigenem Bekunden auf jeden Fall. Jetzt aber macht sie erst einmal von ihrem Recht Gebrauch.
Hintergrundinformationen
Informationen des Amtsblattes der Europäischen Union zur Umsetzung der Maßnahme und den betreffenden Warengruppen. 09.11.2020. Durchführungsverordnung (EU) 2020/1646 der Kommission 7. November 2020 über handelspolitische Maßnahmen betreffend bestimmte Waren aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach der Entscheidung über eine Handelsstreitigkeit im Rahmen der Streitbeilegungsvereinbarung der Welthandelsorganisation.
Informationen der Europäischen Kommission rund um den Fall Airbus Boeing: Boeing WTO case: EU puts in place countermeasures against U.S. exports