Öffentliches Auftragswesen

Referenzen sind von öffentlichen Auftraggebern im Vergabeverfahren zu überprüfen

Die Vergabekammer Niedersachsen hat in einem Vergabeverfahren entschieden, dass öffentliche Auftraggeber bei der Bewertung von Referenzen keinen zu engen Maßstab anlegen dürfen. Werden in der Bekanntmachung Referenzen über „vergleichbare“ Aufträge gefordert, ist er gehalten, den Referenzangaben bei jedem Bieter zumindest teilweise nachzugehen, zum Beispiel durch überprüfende Nachfrage bei Referenzgebern.
Insbesondere wenn im Rahmen der Eignung nur eine Referenz von den Beteiligten abfragt wird, ist die Prüfung der Vergleichbarkeit einer Referenz vollumfänglicher vorzunehmen. Allerdings dürfte eine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, jedwede Referenz zu überprüfen, angesichts des vergaberechtlichen Beschleunigungs- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht bestehen.
Bieter sollten bei der Angabe von Referenzen hinsichtlich deren Passgenauigkeit für die zu erbringende Leistung und deren Überprüfbarkeit Sorgfalt walten lassen.
Der Fall:
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb den Bau eines passiven Breitbandnetzes in einem EU-weiten Verfahren aus. Zum Nachweis der Eignung forderte er eine „einschlägige“ Referenz. Die Vergleichbarkeit der Referenz sollte unter anderem anhand des Kriteriums Art der Leistung bewertet werden. Der öffentliche Auftraggeber hielt Erfahrungen im Leitungsbau (außerorts) in geschlossener Bauweise für förderlich.
Die Eignung eines Bieters wurde wegen Nichterfüllung der Eignungsbedingungen verneint und sein Angebot ausgeschlossen. Dieser Bieter stellte einen Nachprüfungsantrag. Nach erfolgter Akteneinsicht beanstandet der Bieter, dass der öffentliche Auftraggeber keine Rücksprache bei den Referenzgebern vorgenommen hatte.
Die Vergabekammer Lüneburg lässt den Nachprüfungsantrag zu und urteilt, dass der Ausschluss des Angebots des Bieters aufgrund vermeintlich nicht nachgewiesener Eignung vergaberechtswidrig ist. Die in der Vergabeakte dokumentierte Prüfung der Eignung des Bieters – insbesondere auch hinsichtlich der von ihm beigebrachten Referenz – genügt weder den Anforderungen des §16 b EU VOB/A 2019 noch den Anforderungen an die Dokumentation des Vergabeverfahrens gemäß § 20 VOB/A 2019, § 8 VgV.
Bei der Bewertung der Vergleichbarkeit einer Referenz steht dem öffentlichen Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Es genügt, wenn die Referenzleistungen dem zu vergebenden Auftrag nahekommen und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen.
Dies wurde hier nach Ansicht der Vergabekammer verkannt. Die Referenzen, die überwiegend innerorts ausgeführte Leistungen in offener Bauweise beinhalteten, passen zum hier in Rede stehenden Auftrag. In der Vergabeakte ist nicht dokumentiert, ob, wann, mit welchem Inhalt und mit welchem Ergebnis der öffentliche Auftraggeber Kontakt zum Referenzgeber aufgenommen und sich mit diesem über die Art und Weise der Auftragserledigung durch den Bieter ausgetauscht hat.
Dies wäre hier notwendig gewesen, da der öffentliche Auftraggeber nur eine einzige Referenz für den Nachweis der Eignung gefordert hat. Bei einer vom öffentlichen Auftraggeber gesetzten Beschränkung der Eignungsdarstellung auf nur eine Referenz, ist es erforderlich, dass für jeden Bieter die Referenz mit der nötigen Tiefe überprüft, nämlich mit dem Referenzauftraggeber erörtert und entschieden wird, ob der Referenzauftrag die ausgeschriebenen Leistungen abdeckt und die Eignung des Bieters bejaht werden kann. Ein solches Vorgehen ist dem öffentlichen Auftraggeber zumutbar und muss in genügender Weise vor der Ausschlussentscheidung dokumentiert werden.
(Quelle: Auftragswesen aktuell, Newsletter der Auftragsberatungsstellen und IHKs in Deutschland, August 2020)
  • Vergabekammer Lüneburg, Beschluss vom 18.05.2020, Az.: VgK 06/2020
Stand: 15.02.2023