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Pan-Euro-Med-Zone: Alternative Ursprungsregeln seit September eingeschränkt anwendbar

Die EU und der Großteil der übrigen Mitgliedsstaaten des „Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (PEM)“ haben sich 2019 auf modernisierte Ursprungsregeln geeinigt.
Unternehmen können die neuen PEM-Regeln optional als Alternative zu den bisherigen Regeln nutzen, um Zölle im gegenseitigen Warenverkehr zu sparen. Am 1. September 2021 sind sie in Kraft getreten, allerdings zunächst nur mit einigen PEM-Ländern.

Modernisierte Ursprungsregeln

Das Erreichen des präferenziellen Ursprungs wird für Unternehmen durch die neuen PEM-Übergangursprungsregeln („transitional rules“) insgesamt deutlich leichter. Zahlreiche Verbesserungen entsprechen dabei den Forderungen der IHK-Organisation. Wesentliche Vereinfachungen sind z.B.:
  • Produktspezifische Ursprungsregeln: Flexiblere und einfachere Be-/Verarbeitungsregeln für mehrere HS-Kapitel, wie z. B. die Streichung kumulativer Anforderungen, niedrigere Schwellenwerte für die lokale Wertschöpfung, Ergänzung weiterer alternativer Ursprungsregeln (z.B. chemische Reaktionen können Ursprung begründen);
  • Gleitender Durchschnittspreis: Der Wert der Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft kann bei mehreren Zulieferungen anhand von Durchschnittspreisen über einen gleitenden Zeitraum berechnet werden. Dadurch können z.B. ursprungsschädliche Schwankungen bei Einkaufspreisen und Wechselkursen ausgeglichen werden.
  • Toleranz bei Positionswechsel: Die Schwellenwerte für die Verwendung von Vormaterialien oder Komponenten ohne Ursprungseigenschaft werden für Industrieerzeugnisse von 10 % auf 15 % des Ab-Werk-Preises und für Agrarerzeugnisse von 10 % auf 15 % des Nettogewichts angehoben.
  • Buchmäßige Trennung: Nach den bisherigen Vorschriften konnten die Zollbehörden eine buchmäßige Trennung genehmigen, wenn „erhebliche Kosten oder wesentliche Schwierigkeiten bei der getrennten Lagerung auftreten“. Die geänderte Regelung (Art. 12) sieht vor, dass die Zollbehörden eine Genehmigung für die buchmäßige Trennung erteilen, „wenn fungible (austauschbare) Materialien verwendet werden“. Das heißt: Der Exporteur muss bei der Beantragung einer Genehmigung zur buchmäßigen Trennung nicht mehr begründen, dass die getrennte Lagerung erhebliche Kosten verursacht oder zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Es reicht aus, darauf hinzuweisen, dass fungible (austauschbare) Materialien verwendet werden. Die neuen Regeln enthalten außerdem nicht mehr den Ausschluss für Textilien.
  • Duty Draw Back: Möglichkeit der Zollrückvergütung für die meisten Erzeugnisse;
  • Volle Kumulierung: Für die meisten Erzeugnisse können künftige auch Be- oder Verarbeitungsschritte bei der Kumulierung berücksichtigt werden, die für sich genommen keinen Präferenzursprung begründen (Wertschöpfungsanteile).
  • Nichtmanipulation statt Direktbeförderung: Nach dem Prinzip der Nichtmanipulation können Erzeugnisse, die durch andere Gebiete befördert werden, ihren Präferenzstatus auch dann behalten, wenn diese in Teilsendungen aufgeteilt werden. Dies trägt dem Trend hin zu regionalen Distributionszentren Rechnung.
  • Gültigkeitsdauer für Präferenznachweise: verlängert von 4 auf 10 Monate.
  • EUR-MED / Erklärung zum Ursprung (REX): Die EUR-MED und die Ursprungserklärung-MED entfallen. Zudem kann die EUR.1 künftig durch von registrierten Ausführern (REX) abgegebene Erklärungen zum Ursprung (EzU) ersetzt werden, sofern die übrigen PEM-Länder dem zustimmen.
  • Elektronische Erstellung und Austausch von Präferenzdokumenten wird ermöglicht.

Parallele Anwendung der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln / Durchlässigkeit

Da nicht alle PEM-Länder den neuen Ursprungsregeln zugestimmt haben, werden übergangsweise sowohl die alten als auch die neuen PEM-Ursprungsregelsysteme parallel anwendbar sein. Die Unternehmen können zwischen beiden Systemen frei wählen, und zwar sendungsbezogen. Entsprechend wird es übergangsweise zwei parallele Kumulierungszonen geben.
Obwohl die neuen, flexibleren Übergangsursprungsregeln laut EU-Kommission die alten, strengeren Ursprungsregeln zu 99 % automatisch mit erfüllen, ist eine Durchlässigkeit („permeability“) zwischen dem alten Ursprungsregelsystem („PEM 1.0“) und dem neuen Ursprungsregelsystem („PEM 2.0“) nach derzeitigem Stand nicht vorgesehen. Das bedeutet: Eine automatische Verwendung von „PEM 1.0“-Nachweisen bei Präferenzkalkulationen für Export- oder Kumulierungszwecke im Rahmen der neuen „PEM 2.0“-Regeln ist nicht möglich. Stattdessen ist vorgesehen, dass Exporteure die Anwendung der neuen Übergangsregeln explizit auf den Präferenzdokumenten (EUR.1, EzU, Ursprungserklärung) mit dem Zusatz „transitional rules“ bzw. „gemäß den Übergangsregeln“ vermerken müssen. Dies bedeutet in der Konsequenz auch, dass Exporteure bei ihren EU-Zulieferern (Langzeit-)Lieferantenerklärungen anfordern müssen, die ebenfalls einen solchen expliziten Zusatzvermerk je nach PEM-Land aufweisen. Sollen alte PEM 1.0-Nachweise für Kalkulationszwecke im Rahmen des neuen PEM 2.0-Systems genutzt werden, können diese rückwirkend mit dem o.g. Zusatzvermerk beim Zulieferer angefordert und neu ausgefertigt werden. Bedingung: die im alten Nachweis beschriebenen Waren erfüllen auch die neuen PEM-Ursprungsregeln.
Die IHK-Organisation hat sich wiederholt gegen diese bürokratische Vorgehensweise ausgesprochen. Da die alten Regeln zu 99 % immer eine Teilmenge der neuen Regeln bilden, sollten alte Ursprungsnachweise („PEM 1.0“) bei Präferenzkalkulationen für „PEM 2.0“-Ursprünge automatisch als Vormaterialien mit Ursprung (VmU) anerkannt werden – ohne expliziten Zusatzvermerk.
Die EU-Kommission hat ein Guidance-Papier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1954 KB) zur Anwendung der neuen Regeln veröffentlicht. Das Papier enthält unter anderem Hinweise zur parallelen Anwendung der neuen und alten PEM-Regeln sowie zum Aspekt der (Nicht-)Durchlässigkeit zwischen beiden Ursprungsregelsystemen.
Ferner informiert die Generaldirektion für Steuern und Zollunion (DG TAXUD) auf ihrer Website über PEM-Partnerländer, die das neue Ursprungsprotokoll ratifiziert haben.
Des Weiteren hat DG TAXUD die Mitgliedstaaten über die Codierung der neuen Präferenznachweise in Zollanmeldungen informiert. Im TARIC wurden zwei neue Codes geschaffen, die ab dem 1. September 2021 gelten werden:
  •  „U075“: für eine Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1, die im Rahmen der neuen Pan-Euro-Mittelmeer-Übergangsursprungregeln ausgefertigt wurde und im Feld 7 den Vermerk „Transitional Rules“ enthält.
  • „U076“: für eine Ursprungserklärung, die im Rahmen der neuen Pan-Euro-Mittelmeer-Übergangsursprungsregeln ausgefertigt wurde und den Vermerk “origin according to the transitional rules” enthält.
Details zur Codierung entnehmen Sie bitte der Fachmeldung des Deutschen Zolls ATLAS-Info 0226/2021 vom 29.09.2021 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 290 KB).
Hinweis zur Ursprungserklärung: Der Zusatzvermerk und folglich die Codierung U076 ist unabhängig von der Höhe des Warenwertes und unabhängig vom Status des Exporteurs (Stichwort „Ermächtigter Ausführer“) zu verwenden.
Diagonale Kumulierung: Abgesehen von der Ratifizierung der neuen Ursprungsprotokolle im bilateralen Verhältnis mit der EU steht auch die Ratifizierung der neuen Ursprungsregeln der PEM-Länder untereinander an. Nur dann ist zusätzlich zur bilateralen Kumulierung auch die diagonale Kumulierung in der PEM-Zone möglich. Aufgrund der parallelen Anwendbarkeit der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln wird es übergangsweise zwei Matrizen für Kumulierungszwecke nach alten und nach neuen PEM-Ursprungsregeln geben.
Welche Länder die neuen Übergangsursprungsregeln untereinander bereits konkret anwenden können, ist der im EU-Amtsblatt veröffentlichten Matrix zu entnehmen.
EU-seitig wurden die erforderlichen Vorkehrungen zur Anwendung bereits am 7. Dezember 2020 getroffen (siehe hierzu die entsprechenden Beschlüsse des europäischen Rates im EU-Amtsblatt L 424 vom 15.12.2020).

Stand: 23.10.2023