Nach den Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes vom 1. Januar 2020 hat der Ausbildende den Auszubildenden für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen. Er muss ihm die für die Teilnahme am Berufsschulunterricht erforderliche Zeit gewähren, darf ihn also während dieser Zeit nicht beschäftigen. Im neuen Gesetz werden volljährige Auszubildende minderjährigen Auszubildenden für Berufsschulzeiten gleichgestellt. Für Auszubildende unter 18 Jahren gilt weiterhin das Jugendarbeitsschutzgesetz.
Aufgrund der COVID-19-Pandemie hat das Niedersächsische Kultusministerium am 6. Juli 2020 einen Leitfaden für den Präsenz- und den Distanzunterricht an berufsbildende Schulen sowie ein Update zum Leitfaden erlassen. Auch für Formen des Distanzunterrichts sind die Auszubildenden gemäß § 15 BBiG durch den Betrieb freizustellen.
Beschäftigungseinschränkungen und Anrechnungszeiten bei minderjährigen Auszubildenden
Das Jugendarbeitsschutzgesetz schränkt die Beschäftigung im Zusammenhang mit dem Berufsschulbesuch in drei Fällen ein:
Die Unterrichtszeit ist keine Arbeitszeit. Sie wird aber nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz auf die wöchentliche Arbeitszeit angerechnet. Es sei denn, es existiert eine eigene tarifliche Anrechnungsregelung auf kürzere Arbeits-/Ausbildungszeiten. Angerechnet werden auch die Pausen.
Für die Zeit der Freistellung ist dem Auszubildenden die Vergütung fortzuzahlen.
Es wird empfohlen, die betriebliche Praxis fortzusetzen und die Wegezeiten dann auf die Arbeitszeit anzurechnen, wenn der Auszubildende nach dem Schulbesuch in den Betrieb zurückkehrt. Sollte es zu einer Gerichtsentscheidung kommen, könnten die Gerichte auch im Sinne des Auszubildenden entscheiden und die Wegezeiten anrechnen.
Beschäftigungseinschränkungen und Anrechnungszeiten bei volljährigen Auszubildenden
Für volljährige Auszubildende gelten die neu geschaffenen Regelungen in § 15 BBiG in der Fassung vom 1. Januar 2020.
Auszug aus dem neuen Berufsbildungsgesetz:
§ 15 Freistellung, Anrechnung
(1) Ausbildende dürfen Auszubildende vor einem vor 9 Uhr beginnenden Berufsschulunterricht nicht
beschäftigen. Sie haben Auszubildende freizustellen
1. für die Teilnahme am Berufsschulunterricht,
2. an einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten, einmal in der Woche,
3. in Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden an mindestens fünf Tagen,
4. für die Teilnahme an Prüfungen und Ausbildungsmaßnahmen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher oder vertraglicher Bestimmungen außerhalb der Ausbildungsstätte durchzuführen sind, und
5. an dem Arbeitstag, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht.
Im Fall von Satz 2 Nummer 3 sind zusätzliche betriebliche Ausbildungsveranstaltungen bis zu zwei Stunden wöchentlich zulässig.
(2) Auf die Ausbildungszeit der Auszubildenden werden angerechnet
1. die Berufsschulunterrichtszeit einschließlich der Pausen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1,
2. Berufsschultage nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit,
3. Berufsschulwochen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 mit der durchschnittlichen wöchentlichen
Ausbildungszeit,
4. die Freistellung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 mit der Zeit der Teilnahme einschließlich der Pausen und
5. die Freistellung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit.
(3) Für Auszubildende unter 18 Jahren gilt das Jugendarbeitsschutzgesetz.
Für die Zeit der Freistellung ist dem Auszubildenden die Vergütung fortzuzahlen.
§ 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG spricht von "Berufsschulunterrichtszeit einschließlich der Pausen". Es wird dennoch empfohlen, die betriebliche Praxis fortzusetzen und die Wegezeiten dann auf die Arbeitszeit anzurechnen, wenn der Auszubildende nach dem Schulbesuch in den Betrieb zurückkehrt. Sollte es zu einer Gerichtsentscheidung kommen, könnten die Gerichte auch im Sinne des Auszubildenden entscheiden und die Wegezeiten anrechnen.
Unter „25 Stunden“ im § 15 Abs. 1 Nr. 3 BBiG sind nach einstimmiger Ansicht der Mitglieder Unterrichtsstunden und keine Zeitstunden zu verstehen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, in dem es heißt: „Blockunterricht von mindestens 25 Stunden“. Die Stunden beziehen sich hier auf das Wort „Blockunterricht“. Zudem spricht der § 15 Abs. 1 Nr. 2 BBiG, wonach Auszubildende, die keinen Blockunterricht haben, freizustellen sind, auch von „Unterrichtsstunden“. Ein Grund für eine Differenzierung zwischen den Auszubildenden mit unterschiedlicher Beschulungsform ist nicht ersichtlich.
Das Wort „unmittelbar“ im § 15 Abs. 1 Nr. 5 BBiG ist wörtlich zu verstehen. Demnach besteht nach einstimmiger Ansicht der AG Bildungsrecht der Freistellungsanspruch nur hinsichtlich des Tages, der der schriftlichen Abschlussprüfung tatsächlich unmittelbar vorangeht. Ist dies, in dem obigen Beispiel (Arbeitszeit Mo – Fr) ein Sonntag, so besteht kein Freistellungsanspruch für Freitag. Der Auszubildende hat in diesem Fall keinen Anspruch nach § 15 Abs. 1 Nr. 5 BBiG. Sollte in einem Betrieb der Sonntag ein Arbeitstag sein und an dem darauffolgenden Montag die schriftliche Abschlussprüfung stattfinden, so ist der Auszubildende für den Sonntag freizustellen.
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